Gar lustig ist das Agentenleben? Aufregend und exotisch? Vielleicht bei der CIA. Dagegen geht es beim russischen Geheimdienst – wenn man Red Sparrow glauben darf – nur um eins…
Na endlich, nun ist es offiziell: Bei der Agenten-Arbeit geht es eigentlich nur ums Fic… Pardon, um Geschlechtsverkehr. Jawohl, um Geschlechtsverkehr. Nicht dass wir das nicht schon seit James Bond gewusst hätten. Schließlich ist der gute alte James kein Kostverächter, was die im Schnitt drei Bond-Girls pro Film angeht. Insofern erzählt uns Red Sparrow eigentlich nichts Neues: Agenten, vorzugsweise russische und davon vorzugsweise weibliche, setzen ohne mit der hübsch geschminkten Wimper zu zucken ihren eigenen Körper ein, um für Vater Staat und Mütterchen Russland ans Ziel zu kommen. Der Unterschied ist nur: Red Sparrow will in keiner Sekunde auch nur den Hauch eines Zweifels aufkommen lassen, dass das amouröse Agenten-Treiben kein Spaß ist.
Regisseur Francis Lawrence und sein Star Jennifer Lawrence sind ein bewährtes Gespann. Die beiden haben zuletzt den zweiten und die zwei dritten Teile der Hunger Games-Geschichte auf die Leinwand gebracht. Und da haben sie die Young Adult-Fantasy mit einem gerüttelt Maß an Gewalt, Depression und farbreduzierten Bildern zur Kriegsgeschichte mutieren lassen. Nun hatten Lawrence & Lawrence wohl etwas Ähnliches mit dem Spionage-Film im Sinn, und da kam der Roman Red Sparrow des ehemaligen CIA-Mitarbeiters Jason Matthews gerade recht. Die Moral der Geschichte: Das Agenten-Geschäft ist als solches ein dreckiges Geschäft, aus dem alle Beteiligten höchstens tot wieder rauskommen. Also gilt ab dem ersten frostigen Filmbild: Lachen verboten! Lächeln auch.
Der Kalte Krieg ist nicht beendet
Filmästhetisch funktioniert das auch ziemlich gut: Red Sparrow lässt seine Schauspieler permanent durch wunderbar trostlose Kulissen laufen. Die Hintergründe sind immer wahlweise kalt, kahl oder kaputt. Altmodische Mosaike, Braun- und Orange-Töne, dunkle Holzvertäfelungen – irgendwie vermittelt der Film den Eindruck, als wäre der Ostblock nie zusammengebrochen. An einer Stelle im Film heißt es sogar, dass der Kalte Krieg nie geendet habe. Und würden die Filmfiguren nicht zufällig mit Smartphones hantieren, könnte man das auch glauben. Die triste Verfremdung schafft aus sich heraus ein permanentes Gefühl von Unbehagen und Bedrohung, das zuweilen in unangenehmen Folter- und Sexszenen gipfelt. Stockschläge ins Gesicht, Vergewaltigungen, sogar Häutungen (ja, Häutungen) – zugegeben: Für einen Film aus der A-Riege ist das schon ziemlich mutig.
Hopplahopp in der Figurenzeichnung
Doch so schön-schrecklich das alles auch anzuschauen ist, so schwächelt der Film bei der Zeichnung seiner Figuren. Jennifer Lawrence vollzieht die Wandlung von der verletzten Primaballerina zur ausgebufften Agentin viel zu schnell. Übergibt sie sich im einen Moment, weil sie sich im Auftrag des Geheimdienstes prostituieren soll, behält sie plötzlich bei Agentenausbildung, geheimer Mission und selbst im Angesicht des sicheren Todes die Nerven. Dass der Film seiner Figur keine Szene gönnt, die den Charakter wirklich vertieft, macht es dem Zuschauer dabei auch nicht leichter. So erinnert Red Sparrow an das Angelina Jolie-Vehikel Salt, in dem der Zuschauer auch nur zuschauen durfte, was die Heldin gerade macht, aber keinen Einblick erhielt, was sie denkt oder fühlt.
Red Sparrow bietet zweifellos ein ungewohnt hartes und zuweilen auch spannendes Katz-und-Maus-Spiel mit überraschenden Twists und ungewohnten Härten. Der Film ist um Realismus bemüht und verkneift sich ein allzu billiges Happy End. Aber streckenweise wirkt er leider auch wie eine etwas zu stilsichere Fingerübung in verfilmter Kälte. Da ist es kein Wunder, dass Red Sparrow einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt.
In Kürze: Optisch eine eiskalte Wucht, inhaltlich mit Schwächen in der Figurenzeichnung. Red Sparrow wirkt wie verfilmte Tristesse, konzentriert sich etwas zu sehr auf Sex und Gewalt und macht es seinen Zuschauern damit nicht gerade leicht.
Bewertung: 6 / 10