Seit gestern Abend ist einiges anders: Shutdown in Deutschland wegen Corona. Das betrifft uns natürlich auch persönlich. The Howling Men ist zwar nur ein Feierabend-Blog rund um „Zeugs“ und insofern trivial. Aber er existiert nicht in der Blase. Deshalb nur ein paar ganz persönliche Eindrücke von uns…
Herbe Einschläge beginnen ja manchmal mit so einem kleinen Kribbeln im Hinterkopf. Ich hatte das Gefühl gestern beim abendlichen Spaziergang rund um einen der – kleinen – Berge hier in der Gegend, wohin es mich nach einem Bürotag gerne mal verschlägt. Die Gründe sind meistens dieselben: Bewegung nach einem langen Tag vor dem Computer, Freude an der Natur und vor allem: runterkommen. Distanz gewinnen. Ich habe mich also leicht verschwitzt auf halber Strecke durch Unterholz und über schlammige Wege gearbeitet, als David mir eine Nachricht aufs Smartphone schickte: „Ist das jetzt der Shutdown?“ Er meinte natürlich die Pressekonferenz der Kanzlerin zu den Maßnahmen, wie man denn die Verbreitung von Covid-19, umgangssprachlich: Corona, in Deutschland eindämmen will. Jetzt war es amtlich: Geschäfte machen dicht, Reisen werden eingeschränkt.
Für einen Filmfan wie mich – und das jetzt bitte nicht falsch verstehen, das soll keine Verharmlosung sein – war das ein merkwürdiges Gefühl. Ich fühlte mich in dem Moment an solche bestimmten Szenen in Katastrophen- und Endzeitfilmen erinnert: Der Protagonist ist irgendwo auf dem Land unterwegs, wo alles völlig normal und harmonisch wirkt, und plötzlich kriegt er Nachrichten von etwas Schlimmem – oder sieht eine Rakete vorbeifliegen, die in weiter Entfernung in einer Stadt einschlägt. Und er weiß: So normal im Moment noch alles aussieht, die Katastrophe wird näherkommen, ob das nun eine Naturgewalt, eine radioaktive Strahlung oder eben ein Virus ist. Perverserweise erinnert die Realität irgendwie gerade sehr daran: In anderen Ländern herrscht bereits Ausnahmezustand, Betriebe stehen still, Menschen verlieren ihre Jobs, werden krank, die Börsen spielen verrückt. Da hatten wir es noch ganz gut. Bis jetzt.
Eine Infektionsfilm-Top 10?
Es ist sicherlich schwierig, die richtigen Worte angesichts so einer Situation zu finden. So etwas gab es in Deutschland bislang noch nicht. Der Sachverhalt ist zu komplex, zu weitreichend, um ihm mit einem kurzem Post auf einem Blog gerecht zu werden. Es herrscht Ausnahmezustand wegen eines Virus, egal, ob die übliche Grippe alljährlich eigentlich viel schlimmer ist oder eben auch nicht – man weiß es bislang einfach nicht. Als ich da durch die Natur streifte und daran dachte, was gerade überall passiert, war mir nur klar: So ganz kann man das auch nicht auf einem privaten Feierabend-Blog, der sich um Filme, Musik und generell Spaß drehen soll, ignorieren. Morgen wieder was über Star Wars oder DCs Joker posten, während jeder gerade mit den Gedanken woanders ist und medial mit dem Thema Virus dauerbeschallt wird?
Wie soll man nun das Thema Filmblog „virusmäßig“ abhandeln? Etwa mit einem Ranking zu den Top 10 der Infektionsfilme? Immerhin merken auch wir, dass Contagion nicht mehr der einzige Rückkehrer in die Streaming-Charts ist, Outbreak und diverse Zombie- bzw. Endzeitfilme wie I am Legend und Night of the Living Dead haben sich inzwischen munter dazu gemischt. Oder sollten wir das Foto einer Klorolle und eines leeren Supermarkt-Regals posten, weil es noch nicht genug Toilettenpapier-Witze gibt im Internet? Nur nebenbei die Frage: Was machen die Leute mit dem ganzen Klopapier? Haben die alle eine Großfamilie mit chronischer Diarrhö daheim?
Keine kuschelige Katastrophe
Die Corona-Witzbilder im Internet werden nicht weniger, ganz im Gegenteil. Und das ist ja auch eigentlich der richtige Weg, um mit einer Krise umzugehen: Humor. Wir merken allerdings schon, dass viele Leute ihre Späße nicht mehr ganz so locker-flockig vortragen wie noch vor drei Wochen. Der Ton hat sich – nicht zuletzt unter dem Eindruck der jüngsten Hamsterkäufe – leicht gewandelt. Vor anderthalb Jahren haben wir hier noch einen augenzwinkernden Beitrag über die Cozy Catastrophe wie in Quiet Place gepostet. Nun fühlt es sich so an, als seien wir selbst im Film. Ironischerweise sollte der zweite Teil unlängst anlaufen und wurde wieder aus dem Programm genommen.
Achtsamkeit und Stillstand
Zu Silvester haben wir hier auf dem Blog unsere Neujahrsgrüße gepostet. Das ist bekanntlich die Zeit im Jahr, in der man kurz innehält, sich sagt, dass man etwas besser machen will, und es dann im Alltagsstress spätestens ab dem 7. Januar (Grüße nach Bayern) recht schnell wieder vergisst. Zum Auftakt für das Jahr 2020 hatte ich etwas von „Achtsamkeit“ geschrieben. Achtsamkeit war so einer kleiner Trendbegriff in der Wirtschaft geworden – Unternehmen wollen zunehmend Haltung zeigen, und dazu gehört vielerorts auch Achtsamkeit. Dabei ist das Prinzip gut: alles etwas aufmerksamer wahrnehmen, mal mental zur Seite treten, im Hier und Jetzt sein, nicht im Gleich oder Später. Daran habe ich mich im Stress der vergangenen Monate – und der war nicht anders als jedes Jahr – immer wieder ganz gerne erinnert.
Tja, und nun, knapp drei Monate später, scheint die Welt eine Vollbremsung zu machen. Und man kann das Gefühl haben, dass eine Welle angerollt kommt – so wie im Film, etwa in 2012. Es gibt eine Pandemie, kaum einer redet davon, diese irgendwie aufhalten zu können, es geht derzeit eher ums Ausbremsen, denn dass ein Großteil von uns infiziert wird, ist sicher, so haben wir erfahren. Selbst wenn es für die meisten nur ein besserer Schnupfen sein sollte, die pure Hochrechnung und die Konsequenzen für alle sind schon bemerkenswert. Immerhin ist dieses Gefühl, die aktuelle Situation wahrzunehmen, auch eine gewisse Form von Achtsamkeit. Noch einmal: Das soll keine Verharmlosung sein und auch kein schlechter Witz. Die Leute werden krank, sie verlieren ihre Jobs, die nächste Wirtschaftskrise ähnlich 2007 bis 2009 wird schon fleißig herbeiprognostiziert.
Bleiben Sie gesund!
Uns war wichtig, hier immer gutgelaunt ans Werk zu gehen, denn es geht uns gut, und wir haben Spaß an unserem Hobby. Unsere Meinung zur Weltlage ist nicht wichtig. Aber ignorieren wollten und konnten wir diese Weltlage auch nicht. Heute Morgen bin ich zur Arbeit gefahren vorbei an leeren Parkplätzen mit einem Minimum an Verkehr, gleichzeitig lief im Hintergrund Bon Jovi mit „We got this going on“. Arbeitsmails enden nicht mehr mit „Vielen Grüßen“, sondern mit „Bleiben Sie gesund!“
Wir posten hier, was uns im Feierabend bewegt. Und ein großes Thema ist derzeit nun mal „Corona“. Insofern hat dieser Beitrag keinen konkreten Zweck: Wir geben keine Filmkritik ab, wir besprechen kein Buch, wir loben kein Musikalbum. Und noch wichtiger: Es soll weder eine humorige Auflockerung, eine coole ironische Brechung oder eine ernstgemeinte Durchhalte-Parole von vielen auf Facebook sein. Jeder muss selbst für sich den besten Weg finden, mit der Situation umzugehen – der eine hält das aktuelle Geschehen für albernes Theater, der andere macht Party, wieder ein anderer kommt vor Sorgen nicht in den Schlaf oder arbeitet sich gerade den Buckel krumm.
Der Beitrag soll nur – ganz im Sinne eines Blogs, also eines besseren Internet-Tagebuchs – zeigen: Wenn wir hier über „Zeugs“ schreiben, dann geschieht das nicht in einer Blase fernab der Realität. Insofern sind wir „achtsam“, wohl ganz automatisch mehr als sonst. Gleichwohl können wohl nur wenige wegen Corona ihre Interessen einfach abstellen.
Eskapismus fürs Seelenheil
Um den Bogen zum eigentlichen Inhalt unseres Blogs zu schlagen, kommt man nicht um das Thema Eskapismus herum. Gemeint ist die Flucht in ferne Welten. Ob mit Film, Serie, Buch, Musik oder Spielzeug. Jeder von uns hat sein Hobby und seine Sammlung. Und mal ganz ehrlich: Wie oft nehmen wir uns die Zeit und erfreuen uns daran? Oft ist es doch nur ein Vervollständigen, ein Kaufen, um es zu haben, ohne wirklich die Zeit zu nutzen, es wirklich zu genießen.
In dieser Situation ist die „Flucht“ nicht nur eine psychologische Hilfe, sondern auch die Wertschätzung der eigenen Sammlung. Das Bewusstmachen des Habens und das Auseinandersetzen damit. Der Film, den man schon monatelang im Regal stehen hat. Endlich den Stapel Bücher verkleinern und weglesen. Die neuen CDs auspacken und anhören. Ein Püppchen aus dem Regal nehmen und spielen. Ob 5 Minuten oder 2 ½ Stunden. Das Objekt bewusst wahrnehmen, reflektieren und sich einfach mal wieder ehrlich darüber freuen.
Bis zum nächsten Beitrag…
Manche von uns können das schon lange, andere haben es verlernt. Die jetzige Situation bietet somit auch für den Sammler eine besondere (Erste Welt-)Möglichkeit, der Lage Herr zu werden und sich mit dem, was er bereits hat, eine Auszeit vom Alltag zu ermöglichen. Danach holt einen die Realität unweigerlich ein, aber man wird sie vielleicht leichter ertragen, denn man weiß, was einem Freude bereitet.
Also, habt Spaß, nutzt eure Lieblingswelt und schöpft Kraft daraus.