Irgendwie hat doch alles einen Haken: Endlich ist es mal still, aber dafür hat es Monster. Und endlich ist es mal spannend, aber dafür… zahlt der Horrorfilm A Quiet Place auch einen Preis.
Der am meisten missverstandene Film 2018? Ganz klar: A Quiet Place. Das Ding wird doch tatsächlich als Horrorfilm verkauft, als Endzeit-Schocker. Als Dystopie! Alles vollkommen falsch. A Quiet Place ist eigentlich das genaue Gegenteil, nämlich eine Utopie. Der Name sagt es doch bereits: ein ruhiger Ort – es gibt keine Industrie, es gibt kein Internet, es gibt keine anderen Leute und es gibt vor allem keine Geräusche. Was will man denn mehr? Ja, ja, zugegeben, da stromern auch noch ein paar gruselige Monster durch die Wälder, die alles und jeden töten, der einen Ton von sich gibt. Na und? Wenn man in der Wildnis alleine einem Grizzly-Bären begegnet, hat man auch nicht gerade gute Chancen. Wozu dann also Monster?
Aber Spaß beiseite: A Quiet Place basiert auf einer betörend einfachen Idee. Er will eine Welt der Stille zeigen, und das macht er auch wirklich gut. Zunächst. Der Film wirft seine Zuschauer direkt hinein in sein Szenario, ohne zu viel zu erklären. Die wesentlichen Infos werden lediglich über Zeitungstitel eingeblendet, den Rest darf man sich selbst zusammenreimen – ein netter Fingerzeig in Richtung Stummfilmzeiten. Der Film zelebriert den Alltag seiner Protagonisten geradezu, die barfüßig leisetreten und sich per Gebärdensprache verständigen. Hinzu kommen Bilder von verlassenen Städten und einsamen Wäldern sowie ein Sounddesign, das aus jedem Knacken und Klirren den maximalen Effekt herausholt: A Quiet Place ist handwerklich überzeugend gemacht und schafft so eine recht eigenständige – ja, auch angespannte – Atmosphäre.
High Concept = fehlende Logik?
Aber: Mit diesem Grundkonstrukt ist A Quiet Place nun mal ein High Concept-Thriller. Und wie es sich für High Concept-Thriller gehört, müssen die Zuschauer ein paar dicke Logik-Kröten schlucken. Um mal die dickste Kröte zu nennen: Trotz permanenter Lebensgefahr und wider besseren Wissens zeugen die Protagonisten neuen Nachwuchs. Da mag man sich fragen: warum? Romantische Naturen würden wohl argumentieren: weil der Lebenswille größer ist als die Angst. Etwas zynischere Naturen würden dagegen halten: weil sich ein Schwangere, die im Augenblick größter Bedrohung ihr Kind auf die Welt bringen muss, im Drehbuch einfach gut macht. Ähnlich verhält es sich mit den Details, etwa dem Nagel in der Kellertreppe: Da sind die Leute zwar permanent ohne Schuhe unterwegs, aber so kleine spitze Gefahren für die Fußsohle werden gerne übersehen (Spoiler: Im Gegensatz zur Protagonistin tritt das Monster auf dem Weg in den Keller natürlich nicht auf den Nagel).
Letztlich greift auch A Quiet Place – so innovativ er sich geben mag – auf bewährte Zutaten zurück, um Spannung zu erzeugen. Da wäre der Horror-Dreiklang aus…
- gruselige Musik: Komponist Marco Beltrami in allen Ehren, aber der Score ist etwas zu pompös für das stille Thema.
- Jump-Scares: Klar, wenn es absolut ruhig ist, muss immer einer hinter dem Busch hervorgesprungen kommen und „Buh!“ rufen.
- dumme und / oder eigenwillige Kinder: Die benötigen wohl keiner weiteren Erklärung, kennt man doch.
Spannender Budenzauber
Klingt alles extrem negativ? Nein, weit gefehlt. So faszinierend A Quiet Place in der ersten Hälfte ist, so entzündet der Film in der zweiten Halbzeit einen sehr launigen und sehr spannenden Budenzauber. Das Filmpaar Emily Blunt und John Krasinski (die auch im echten Leben ein Paar sind) vermitteln sehr schön die Mischung aus Furcht, Hoffnung und Verantwortung, die auf ihren Schultern lastet. Dickes Lob auch für die gehörlose Schauspielerin Millicent Simmonds, die ein paar wunderbare Momente auf die Leinwand zaubert. Und die Filmmonster (animiert von Industrial Light & Magic) gehören zu den gelungeneren Vertretern ihrer Zunft. Aber für ein Horror-Meisterwerk hätte A Quiet Place deutlich sorgfältiger bei der Ausgestaltung seiner Story sein müssen. Ob das in Part II besser wird?
In Kürze: Sehr reizvoll konstruierter High Concept-Thriller, der Horror und Endzeit mischt. Der Film sorgt mit seinem ungewohnten Ansatz zweifellos für Spannung und bietet ein paar schöne Schauspieler-Leistungen. Für den Nervenkitzel opfert der Film aber leider nur zu bereitwillig die Logik und wird damit durchschaubar.
Bewertung: 7 / 10 (weil ich für Endzeit immer zu haben bin)
1 comment