US-Teenie trickst böse Russen aus? Ja, das war wohl Wunschdenken in den 80ern. Die Agenten-Komödie Gotcha! präsentiert die schlichte Idee aus Kalte-Kriegs-Zeiten aber ziemlich launig und ist nicht ohne Grund ein kleines bisschen Kult …
Wie das damals so war mit der DDR? Nun, aus amerikanischer Sicht war das wohl ziemlich einfach. Da kommt der gute Jonathan – seinerseits US-Teenager auf Europa-Trip – gerade eben aus Ostberlin zurück in den Westen. Und kaum, dass er wieder auf zivilisiertem, weil westlichem Boden steht, da dreht er sich um, hebt den Mittelfinger in Richtung Realsozialismus und ruft laut: „Leckt mich!“ Das alles spielt sich im Jahr 1985 ab, und es lässt sich wohl nur mit heißkaltem Kriegertum erklären, dass sich der junge Jonathan so vom Osten verabschiedet. Denn eigentlich hat man dem Ami dort „drüben“ nichts Böses getan, außer dass man halt DDR ist und im Vergleich zum Westen etwas zurückgeblieben aussieht. Gut, ein böser KGB-Russe ist noch hinter Jonathan her, aber das weiß der zu diesem Zeitpunkt gar nicht. Hauptsache, der Teenie darf dem Ostblock ein herzhaftes „Fuck you!“ entgegenwerfen.
Die kleine Episode zeigt eigentlich ganz gut, nach welchen Regeln der Film Gotcha! so funktioniert. Zunächst mal: Das hier ist kein ernstes Ost-West-Spionagedrama. Nein, es ist weit davon entfernt. Gotcha! basiert auf einer so einfachen wie doofen Grundidee, wie sie in dieser Form nur die 80er Jahre hervorbringen konnten. Soll heißen: Gotcha! ist zunächst einmal eine amerikanische Teenie-Komödie, die es damals halt öfter gegeben hat. Hormongetriebener 18-Jähriger reist nach Europa in der Hoffnung, sich im Schatten des Eiffelturms endlich mal die Hörner abstoßen zu können. Dann ist Gotcha! aber auch noch ein Spionage-Abenteuer mitten im Kalten Krieg, eben mit guten Amis, bösen Russen, heißen Frauen und aufrechten jugendlichen Helden. Und mit einem derart simplen Agenten-Katz-und-Maus-Spiel, dass man damals wohl selbst im Kreml eher über das naive Drehbuch gelacht als gewütet hat.
In Berlin steht ein Hofbräuhaus …
Wir haben es also mit einer frühen Teenie-Spion-Variante zu tun. Doch wer das nun als ätzende Kritik versteht, der versteht falsch. Denn gerade weil Gotcha! solch ein unbedarftes Kind seiner Zeit ist, muss man ihn einfach gernhaben. Der Streifen unter Leitung von Archie-und-Harry-Regisseur Jeff Kanew macht sich gar nicht die Mühe, seinen schlichten Ansatz zu kaschieren, und haut von Beginn an ein Agenten- und Teenie-Klischee nach dem anderen raus. Ein junger Anthony Edwards mit Pollunder und Fön-Tolle als Held wider Willen. Linda Fiorentino als undurchsichtige Femme Fatale mit dem hübschesten Schmollmund diesseits des Eisernen Vorhangs. Und ein dauergriesgrämiger Klaus Löwitsch mit Nickelbrille und Ledermantel als böser Russe… Ja, hier ist wirklich alles drin, was so richtig Laune macht. Dabei darf natürlich – schließlich spielt der Film in Deutschland – der Abstecher in ein (West-)Berliner Hofbräuhaus nicht fehlen. Und ebenso wenig – schließlich spielt der Film in den 80ern – eine Flucht in punkiger Verkleidung.
Klischees, aber mit Augenzwinkern
Gotcha! wäre nun keine Agentenkomödie, wenn er all diese Klischees nicht in vollem Bewusstsein auf seine Zuschauer losließe – wobei er recht deutlich mit den Augen zwinkert. So imitiert Jung-Jonathan beim Straßenbummel in Ost-Berlin ganz bewusst James Bond, der in den 80ern bekanntlich noch der Vorzeige-Agent war. Doch bricht ihm sofort der Schweiß aus, als sich ein neugieriger Vopo dem College-Kid aus den Vereinigten Staaten nähert. An anderer Stelle schenkt ihm seine undurchsichtige Freundin in einer ostdeutschen Markthalle einen Apfelkuchen („Strudel“), worauf unser Protagonist sofort ein konspiratives Backwerk wittert, das geheimerweise aus dem Osten geschmuggelt werden soll. In gewisser Weise macht Gotcha! da also ganz dezent eine Meta-Ebene auf und spiegelt sein eigenes Genre.
Was allerdings nicht heißt, dass Gotcha! eine reine Persiflage aufs Agentenleben wäre. Fängt der Film noch etwas klamaukig an und arbeitet sich dann mit einigermaßen schlagfertigen Dialogen auf der Humor-Skala nach oben, so kommt spätestens bei der Rückreise – Flucht wäre zu viel gesagt – aus dem Osten so etwas wie Spannung auf. Gegen Ende setzt es dann noch einen angenehm milden Twist, der 1. Anlass gibt für eine völlig sinnfreie, wenn auch launige Schnitzeljagd und 2. dem braven College-Boy die Gelegenheit gibt, endlich über sich hinauszuwachsen und dabei KGB sowie CIA an der Nase herumzuführen. Und, wichtig: dann doch noch das Mädel für sich zu gewinnen. Das alles, also die Teenie-, die Agenten- und die Liebesgeschichte zusammen mit einer Rundreise von Los Angeles über Paris nach Berlin und zurück, wird mit hohem Tempo in gerade mal knapp 100 Minuten über die Bühne gebracht. Langweilig geht anders.
Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!
Vielleicht noch für den hiesigen Zuschauer interessant: Berlin, Ost wie West, ist ja immer wieder ein beliebtes Reiseziel für allerlei Agenten-Volk. James Bond war da, Ethan Hunt war da, und der junge Jonathan darf dabei natürlich nicht fehlen. Soll heißen: Gotcha! führt den geneigten Zuschauer zurück in die berühmte geteilte Stadt. Auch wenn das selbst kein großes Thema ist im Film, so reist man doch locker vorbei an diversen bekannten Örtlichkeiten wie dem Checkpoint Charly oder dem Karl-Marx-Platz Man besucht die Leninallee, die heute Landsberger Allee heißt, und versetzt die Zitadelle Spandau ein wenig in Aufruhr. Insofern steht Gotcha! in einer schönen Agentenfilm-Tradition, er ist lediglich etwas leichtgewichtiger und humoriger unterwegs als seine großen Vorbilder.
Ein Film aus den 80ern wäre kein Film aus den 80ern, wenn er für Kinder der 80er nicht noch den einen oder anderen Bonus parat hielte. Sprich: einen 80er-Soundtrack. Im Fall von Gotcha! hat der es einigermaßen in sich. Denn üblich ist in solchen Fällen ja, dass sich ein, vielleicht zwei bekannte Songs auf die Tonspur verirren. Aber bei Gotcha! lässt gleich eine ganze Reihe vergangener Größen die Augen tränen. Als da wären:
- Bronski Beat mit „Small Town Boy“
- Nik Kershaw mit „Wouldn’t it be good“
- Frankie goes to Hollywood mit „Relax / Two Tribes“
- Joan Jett mit „Gotcha where I want ya“
- die Melodic-Rocker von Giuffria mit gleich drei Songs: „Never too late“, „What’s your Name“, „Say it ain’t true“
- Thereza Bazar mit dem catchigen Titellied „Gotcha!
- Und man höre und staune: Hubert Kah mit „Angel 07“ für den NDW-Fan
Die Songs sind übrigens eine Sache, der Score noch eine andere. Für die instrumentale Musik wurde nämlich Veteran Bill Conti verpflichtet. Und der hatte nicht nur Rocky und Karate Kid vertont, sondern im Jahr 1981 auch den James Bond-Film In tödlicher Mission.
Bleibt festzuhalten: Gotcha! ist naive und nicht ganz ernstzunehmende 80er Jahre-Ware. Allerdings macht der Streifen als kleine und gutgelaunte Zeitreise zurück in den Kalten Krieg gehörig Spaß, zeigt ein paar interessante Orte und atmet durchaus den damaligen Zeitgeist. Nur eine Frage bleibt abschließend offen: Anthony Edwards sieht als Protagonist Jonathan mit seiner blonden Fön-Welle und seinen Klamotten im Preppy-Style (die Garderobe stammt von Gant) beinahe genauso aus wie Val Kilmer im Agenten-Spoof Top Secret ein Jahr zuvor. Absicht oder Zufall?
In Kürze: Gotcha! ist eigentlich doof. Oder aus heutiger Sicht zumindest naiv. Denn mitten in den 80er Jahren mixt der Streifen Teeniekomödie mit Agentenfilm und schickt ein US-College-Kid auf Spionagemission nach Ost-Berlin. Doch was da an Hirn fehlt, macht der Streifen durch Witz, Tempo und natürlich auch ein gerüttelt Maß Zeitgeist wieder wett.
Bewertung: objektiv vielleicht 6/10, aber als 80er-Agenten-Spaß locker 8/10
Bevor wir das vergessen: Zwei Figuren-Gruppen fallen im Film ziemlich auf. Da wären zum einen die Film-Eltern von Anthony Edwards, insbesondere der Herr Papa. Der wird herrlich passiv-aggressiv gespielt von Charakterkopf Alex Rocco, der dem Filmfan wohl vor allem als Mobster Moe Greene aus Coppolas Der Pate bekannt sein dürfte. Und ganz ehrlich: So eine mafiamäßig chronische „Angepisstheit“ trägt er auch hier zur Schau, macht richtig Spaß. Die andere Figuren-Gruppe ist noch kurioser: nämlich die deutschen Punks, die Edwards aus Berlin rausschmuggeln. In der Szene an der Grenze müssen die ihre Ausweise vorzeigen, und das sind die echten Ausweise der Darsteller. Wer auf Standbild schaltet, erkennt unter anderem Berno Kürten, gebürtiger Düsseldorfer und heute vor allem als Regisseur und Drehbuchautor tätig, zuletzt bei einer Traumschiff-Folge und Nord Nord Mord. Und Bernward Büker, gebürtiger Münsteraner, seines Zeichens NDW-Musiker und heute Leiter einer Event-Agentur in Berlin.