Früher, da war Amerika noch so schön siffig. Hinterhöfe, Graffiti, Bandenkriege, herrlich! Der Prinzipal ist ein Film aus dieser „guten“ alten Zeit. Eine schöne Western-Mär.
Jetzt gibt’s aber mächtig aufs Maul! Denkt man … Da lauert ein vermummter Bösewicht der Lehrerin nach Schulschluss im Klassenzimmer auf. Und der Mistkerl meint es ernst, schlägt sie zusammen, schmeißt sie auf den Tisch, zückt ein Messer. Und macht sich daran, sein Opfer zu vergewaltigen. Der Schulleiter kriegt das mit und fackelt nicht lange. Der rast mit seinem Motorrad in die Schule, lässt geschlossene Türen zersplittern, stürmt Treppen hinauf und gibt auf den langen Schulgängen noch mal richtig Vollgas. Er kracht in das Klassenzimmer, springt von der Maschine, greift sich den Übeltäter … Und richtig gedacht: Der kriegt mächtig aufs Maul! Der Held hat den Schurken erwischt, die Jungfrau in Nöten ist gerettet, wenn auch mit reichlich Blessuren, der Tag ist gerettet. Welcher Schulleiter so etwas macht? Natürlich Rick Latimer. Der Prinzipal!
Der Prinzipal von Christopher Cain ist ein Actionfilm. Als solcher wird er jedenfalls verkauft. Einer, in dem ausgerechnet ein wackerer Schulleiter den Helden gibt und eine heruntergekommene … nein, eine durch und durch versiffte Schule wieder auf Vordermann bringt. Eine Prämisse, die in manchen deutschen Bildungseinrichtungen schwer vorstellbar ist, in einer amerikanischen Highschool aber ganz hervorragend funktioniert. Vor allem in den 80ern: Wer den Film Anfang 1988 bei seiner Deutschland-Premiere im Kino sehen durfte oder später als Kind oder Jugendlicher im Fernsehen die Erstsichtung vornahm, der dürfte sofort eingenommen gewesen sein, von der Geschichte rund um den verranzten Pädagogen mit der sauren Milch im Kühlschrank. Der mit seiner direkten Art im echten Leben gescheitet ist und ausgerechnet in einer Schrott-Schule seine große Bestimmung findet.
Wenn der Lehrer in die Schule reitet
Warum man dem Film das sofort abkauft? Vielleicht deshalb, weil Der Prinzipal eigentlich kein Actionfilm ist. Sondern vielmehr ein Western. Zumindest folgt er den weithin bekannten und verinnerlichten Narrativen des Genres: Der Loner kommt in die Stadt geritten, legt sich mit dem Bösewicht an, der die braven Leutchen tyrannisiert, und meistert aufrecht den großen Showdown. Christopher Cain variiert mit dem Skript von Autor Frank Deese eigentlich nur bekannte Versatzstücke aus den Meisterwerken des Genres. Der Prinzipal steht wie in High Noon weitestgehend alleine da, weil die Einwohner seiner kleinen Westernstadt, in diesem Fall also vor allem das Lehrerkollegium, schon längst resigniert haben und sich feige zurückziehen. Mit der feigen Bande ist kein Start zu machen. Und wie in Rio Bravo sieht er sich in seiner eigenen Schule belagert, trotzt dem Bösen aber mit einem verbündeten Außenseiter. Kein Wunder, dass Cain direkt im Anschluss den Western Young Guns gedreht hat.
Der Prinzipal ist nun alles andere als neu. Eigentlich folgt er den Regeln eines eigenen Genres: des Idealistischer-Lehrer-gegen-alle-Genres. Das Licht der Welt erblickte das Erzählmuster wohl 1954 mit dem Film Die Saat der Gewalt. Glenn Ford gibt da den wackeren Pädagogen, Anne Francis seine Frau und ein junger Sidney Poitier den einzigen vernünftigen Schüler. Ganz nebenbei machte der Film den Song „Rock around the Clock“ von Bill Haley berühmt.
Die Saat der Gewalt, im Original: Blackboard Jungle, basiert übrigens auf dem gleichnamigen Roman von Evan Hunter, auch bekannt als Ed McBain. Der verdingte sich im September 1950 ganze 17 Tage als Lehrer an der Bronx Vocational High School und schrieb basierend darauf sein Buch. Ach, und apropos Sidney Poitier: Der wechselte 1967 die Seiten als Lehrer an einer Problemschule im Film Junge Dornen, im Original: To Sir, with Love, nach einem Roman von E. R. Braithwaite. 1996 folgte die späte Fortsetzung, Regie: Peter Bogdanovich.
Komiker mit Baseballschläger
James Belushi gibt den Loner-Lehrer in seiner ersten Kino-Hauptrolle überaus launig und spielfreudig. Bis dahin vor allem als Komiker aus der legendären Second City-Riege bekannt, agiert er hier zur Abwechslung mit reichlich Kopf-durch-die-Wand-Attitüde und räumt mit Baseballschläger in der Hand mal richtig auf. Der bewährte Louis Gossett, Jr. ist als Mitstreiter-Schrägstrich-Mentor die ideale Paarung dazu, die Chemie in dem Buddy-Pärchen stimmt jedenfalls. Die Geschichte schnurrt gut geölt voran, es gibt mal aufs Maul, mal setzt es nur trockene Sprüche. Da merkt man dem Film die eine oder andere dramaturgische Schwäche fast gar nicht an. Fast.
Als da wäre: Was ist eigentlich die Motivation des Prinzipals? Immerhin ist ihm anfangs in seiner alten Schule noch alles egal, doch ein paar Minuten später in der heruntergekommenen Lehr-Anstalt, da packt ihn plötzlich der Ehrgeiz. Obwohl so etwas wie ein initialer Funke fehlt. Naja, vielleicht ist er auch nur glücklich, dass er mal die Sau rauslassen und Schüler wie Kollegium zusammenstauchen kann.
Und dann wäre da die Sozialromantik. Der Prinzipal bedient sich eines beliebten, weil drängenden Themas aus dem Amerika der 1980er Jahre: der Gang-Gewalt an den Schulen. Das wusste man damals selbst als braver deutscher Pennäler aus der Kleinstadt, dass in amerikanischen Schulen hauptsächlich mit Drogen gedealt und mit Waffen herumgefuchtelt wird. Kennt man doch aus dem Kino, das sich damals gerne des Themas bediente. Doch wenn Frank Deese in seinem Drehbuch so etwas wie Kritik an sozialen Missständen vorbringen wollte, so ist das bei Belushis Alleingang irgendwie untergegangen. Zwar gibt es in Der Prinzipal einige kritische Motive. Etwa die alleinerziehende Teenager-Mutter, die nicht weiß, wie sie ihr Baby ernähren soll. Doch wird das Problem weder gelöst noch wird ihm auf den Grund gegangen. Solange die junge Mutter nur brav wieder in die Schule kommt, so wird suggeriert, wird alles wieder gut.
Auf den Spuren von Rocky
Rick Latimer ist ein so archetypischer wie archaischer Held – ein großer Aufräumer, kein Sozialarbeiter mit besorgtem Blick. Zumal wir uns hier in den 80ern befinden, und da geht Seelenschau noch so: Wenn „Sheriff“ James Belushi ein kleines emotionales Problem hat, dann schwingt er sich auf sein treues Pferd, in diesem Fall sein Motorrad, übrigens eine 85er Honda Shadow, und fährt ein bisschen in der Gegend herum. Im Hintergrund ertönt eine typische Softrock-Powerballade, und eine Minute später ist der Held wieder klar im Kopf und weiß was zu tun ist. Da ist der Film ganz bei sich und tief in seinem Jahrzehnt verwurzelt. Der dramaturgische Kniff hat damals auch schon woanders funktioniert. Etwa bei Top Gun. Oder bei Rocky III und bei Rocky IV, dort nur ohne Motorrad, dafür mit Sportwagen. Warum dann nicht auch in der Vorstadt-Highschool von Oakland, Kalifornien?
Deutlich rauer als in den 50ern ging es in den 80ern zu. Regisseur Mark L. Lester, also der von Phantom Commando, drehte da mit Die Klasse von 1984 eine recht gewalttätige und sehr pessimistische Variante des Lehrer-gegen-Schüler-Stoffs. Die Jugendkultur hatte sich weiterentwickelt, es ging nicht mehr gegen den Rock, sondern gegen den Punk. Perry King, einer der Detektive aus dem Trio mit vier Fäusten, darf da den Pädagogen geben und seinen fiesen Gegenspieler am Ende auch gleich umbringen. Michael J. Fox spielt in einer Nebenrolle übrigens auch mit. Beim Titelsong „I am the Future“ setzte man übrigens auf einen bekannten Namen: Alice Cooper.
Wie eine Trainingsmontage
Der Prinzipal erzählt seine Geschichte insgesamt eher episodenhaft. Wie Latimer an der Schule aufräumt oder wie sich eine leichte Romanze mit der hübschen Englischlehrerin anbahnt, das alles geschieht in beinahe alleinstehenden Szenen. Immer hübsch an der Oberfläche und flott zusammengeschnitten, beinahe wie in einer Trainingsmontage beim Sportfilm oder einer der berühmten Bastel-Sequenzen beim A-Team. Ist das nun gut oder schlecht? Klare Antwort: gut. Denn es hält trotz knapp zwei Stunden Laufzeit das Tempo hoch und zieht die richtigen emotionalen Hebel. Dass es deutlich realistischer oder auch pessimistischer geht, das sollen gerne andere Filme zeigen – etwa 187 oder Gran Torino. Muss hier aber nicht sein. Schließlich wollte man im Western auch nicht sehen, dass der Held stirbt – sondern dass er am Ende siegreich vom Hof reitet.
Die Mär vom idealistischen Lehrer im sozialen Brennpunkt erlebte in den 90ern gleich mehrere Inkarnationen. Hochglanz-Produzent Jerry Bruckheimer schickte Michelle Pfeifer 1995 in Dangerous Minds als Ex-Marineinfanteristin auf Mission gegen Gangs und Drogen. Noch einer berühmter Song: „Gangsta’s Paradise“ von Coolio nach Stevie Wonder. Ein Jahr später durfte verdingte sich Tom Berenger als Ex-Söldner und Pädagoge in Personalunion in Mörderischer Tausch an einer Highschool und heizt Drogendealern ein. Kein berühmter Song, dafür drei Fortsetzungen. Wieder ein Jahr später schickte Waterworld-Regisseur Kevin Reynolds den Shootingstar Samuel L. Jackson an eine Problemschule in New York, dieses Mal absolut humorbefreit und ohne Happy End. Apropos Humor: Der Spoof aufs Genre ließ nicht lange auf sich warten: Nackte Kanone-Veteran David Zucker engagierte 1996 Jon Lovitz als tollpatschigen Aushilfslehrer in High School High und ließ ihn mit Tia Carrere anbandeln. Am Rande: Über Fack ju Göhte breiten wir mal den Mantel des Schweigens.
Fazit: Der Prinzipal ist ein Film aus der guten alten Zeit. Also aus den 80ern. Aufrechter Lehrer mit wenig pädagogischen Ambitionen räumt in der Schule mal richtig auf – damit folgt der Film eher den Regeln des Western. Und macht das mit seinem Buddy-Gespann James Belushi / Louis Gossett Jr. richtig launig-gut. Schöne Zeitreise inkl. Powerballaden.
Bewertung: 8 / 10