Steven Spielberg feiert im Film Die Verlegerin eine mutige Frau an der Spitze einer Zeitung. Dabei geht es ihm aber um viel mehr als um ein Porträt…
Steven Spielbergs Die Verlegerin heißt im Original nicht etwa The Publisher – sondern: The Post. Insofern muss man gar nicht lange um den heißen Brei herumschwurbeln von wegen: Die Verlegerin ist ein wichtiges Frauenporträt oder gar ein feministisches Werk. Das ist es natürlich irgendwie auch. Jedoch richtet das Zeitstück über Katherine Graham, die Verlegerin der Washington Post, und ihren Chefredakteur Ben Bradlee den Fokus auf ein viel größeres Thema. Nämlich auf die Rolle der Medien in Zeiten von Populismus und vor allem von Donald Trump. Und das sei vorausgeschickt: Als solches ist Spielbergs Film ganz wunderbar gelungen.
Die Verlegerin ist erfreulich zügig und geradlinig erzählt. Beinahe schon wie ein Thriller. Die verschiedenen Handlungsebenen schnurren parallel voran, überschneiden sich, beeinflussen sich, schaffen Tempo und Spannung. Spielberg gelingt es mit einer bewundernswerten Routine, den Überblick über sein Personal zu behalten und die verschiedenen Aspekte der Geschichte sauber getrennt vorzuführen. Das reicht vom Vietnamkrieg über den wirtschaftlichen Existenzkampf der Washington Post bis zur Recherche der Zeitungsredaktion. Darin bettet er immer wieder wichtige Dialoge zwischen Graham (Meryl Streep) und Bradlee (Tom Hanks) ein, die wie eine Reflexion über die Wechselwirkung zwischen Medien und Politik wirken.
Neue Spielregeln unter Trump, äh, Nixon
„Die Zeiten, in denen wir Zigarren im Weißen Haus geraucht haben, sind vorbei“, sagt Bradlee an einer Stelle. Nämlich als er erkennt, dass ihn seine alte Freundschaft zum US-Präsidenten John F. Kennedy einiges an professioneller Distanz und Objektivität gekostet hatte. Ähnlich ergeht es Graham mit ihrer Beziehung zum US-Verteidigungsminister Robert McNamara. Dies verdeutlicht – auch wenn es heutzutage kein Geheimnis ist – sehr schön das Geben und Nehmen, das zwischen Journalisten und Politikern besteht. Doch nun sehen sich die beiden Protagonisten einem Richard Nixon gegenüber, der mit harten Bandagen kämpft, um die Veröffentlichung der sogenannten Pentagon Papers zu verhindern – ein klarer Schlag gegen die Pressefreiheit.
Der Film zeigt Nixon dabei stets aus der Distanz im Oval Office, spielt dessen Anordnungen gegen die Presse aus dem Off ein. Da sitzt also ein mächtiger Antagonist im Weißen Haus, dem kaum beizukommen ist. Die Parallelen drängen sich geradezu auf: Es geht nicht nur um die jüngere US-Geschichte, sondern ganz aktuell um Donald Trump, der bei jeder Gelegenheit gegen vermeintliche Fake News poltert und gerne unliebsame Medienhäuser verbieten würde.
„Wir dürfen uns von einer Regierung nicht sagen lassen, was wir in unserer Zeitung schreiben, nur weil es ihr nicht gefällt.“ – Tom Hanks als Chefredakteur Ben Bradlee
Plakativ, aber nicht falsch
Ist das alles nicht ein bisschen plakativ? Wackere und aufrechte Journalisten und Whistleblower, die sich im Auftrag der Wahrheit mit den Mächtigen anlegen und weder Landesverrat noch Gefängnis fürchten? Jein. Spielberg kann sich auch hier einige „Spielberg-Momente“ nicht verkneifen, da trägt er gewohnt dick auf. Etwa am Ende, wenn die tapferen Journalisten der Washington Post zu weihevollen Geigenklängen den Sieg der Gerechtigkeit feiern. Oder wenn Meryl Streep unter bewundernden Blicken quasi als Vorkämpferin für die weibliche Emanzipation an einer Reihe von Frauen entlang geht. Geschenkt. Dafür gelingt es dem Film zu gut, den Zeitgeist einzufangen, komplexe Vorgänge zu vermitteln und das Hadern der Figuren mit ihren Entscheidungen zu zeigen. Und dabei schüttelt Spielberg – das nur am Rande – wie gewohnt einige inszenatorische Schmankerl aus dem Ärmel.
Doch eine ganz wesentliche Kritik muss sich Spielberg umso mehr vorwerfen lassen: Wenn allen Beteiligten klar war, dass sie nicht nur Geschichtsstunde, sondern aktuellen Kommentar schaffen (was Tom Hanks im Making-of ganz offen sagt), warum verstecken sie sich dann hinter einem Frauenporträt aus den 70ern? Gerade ein Steven Spielberg sollte sämtliche Freiheiten besitzen, direkt gegen die aktuelle US-Administration Stellung zu beziehen. Da wirkt der Watergate-Epilog im Film eher wie ein hilfloser Wunsch, dass auch Trump bald über irgendeine seiner Affären stolpern möge.
In Kürze: Perfekt gemachter und spannender Kommentar zur aktuellen US-Politik im Gewand eines Zeitstücks aus dem 70ern. Als solches ein wichtiges Plädoyer für die Freiheit und Unabhängigkeit der Presse als vierte Gewalt im Staat. Allerdings muss die Frage erlaubt sein: Warum dann nicht direkt Stellung gegen Populismus und narzisstische Machthaber beziehen?
Bewertung: 8 / 10