Filme, zu denen man immer wieder zurückkehrt, spätestens alle paar Jahre. Zum Beispiel Good Morning, Vietnam … Mit Robin Williams (R. I. P.). So oft gesehen, und immer wieder fällt etwas Neues auf …
What a wonderful world … Oder? Wir sehen ein vietnamesisches Dorf, das explodiert. Ein Kind, das weinend eine Hand greift. Eine Gruppe junger Menschen, die in ein Haus getrieben und erschossen werden. Wir sehen, wie die Polizei eine Demonstration niederknüppelt. Wie ein amerikanischer Soldat eine junge Vietnamesin belästigt. Und Louis Armstrong singt dazu: „And I think to myself, what a wonderful world.“ Schwarzblende. – So grausam die Bilder auch sind, die Musik dazu ist sanft und der Text wunderschön. Und genau diese heftige Dissonanz zwischen dem Gezeigten und dem Gehörten vermittelt dem Zuschauer eigentlich nur eines: Der Krieg, der da gerade in Vietnam richtig heiß wird, ist absolut widersinnig und unnötig.
Good Morning, Vietnam ist ein Film, der von einem einzigen heftigen Widerspruch lebt: nämlich dem seiner Hauptfigur Adrian Cronauer, seines Zeichens Radiomoderator mit losem Mundwerk und wenig Sinn für Autoritäten, und dessen Aufgabe innerhalb der U. S. Army mit ihrer ganz eigenen Logik und ihren Strukturen im heraufziehenden Vietnamkrieg. Cronauer, gespielt von Robin Williams, ist kaum daran interessiert, in diesem Krieg mitzuspielen. Er wandelt lieber durch Saigon, hat seinen Spaß, verliebt sich sogar in eine junge Vietnamesin und lernt so Land und Leute kennen – bis ihn die harte Wirklichkeit einholt und er beinahe darüber verbittert. Humor und Drama liegen also stets nahe beieinander in Good Morning, Vietnam.
Der nachdenkliche Geck
Der ausgelassene Clown mit der Träne im Augenwinkel und dem bitteren Unterton in der Stimme, den spielte niemand besser als Robin Williams. Good Morning, Vietnam ist „sein“ Film, und dort begründete er sein Markenzeichen des nachdenklichen Gecken. Vieles, was danach kam, vom Club der toten Dichter über den König der Fischer bis zu Good Will Hunting oder Patch Adams, bietet letztlich mal mehr oder weniger ausgeprägte Variationen dessen, und das ist keineswegs abwertend gemeint. Das überdeckt aber vielleicht ein bisschen, nach welchen Regeln der Humor in Good Morning, Vietnam funktioniert. Denn wenn man etwas genauer hinschaut, dann schimmert da ein berühmtes Vorbild durch.
- „Es wird heiß und nass werden. Das ist gut, wenn du mit einer Frau im Bett bist, aber nicht, wenn du im Dschungel bist.“
- „Da der Ex-VP so ein V. I. P. ist, sollten wir die PK wegen der PR auf dem WC und nicht im TV machen, weil dann die MP zum KGB sagt: LMAA.“
- „Airman, was bedeuten drei oben und drei unten für Sie?“ – „Kleiner Gruppensex.“
- „Ich habe noch nie einen Mann getroffen, der so groß war wie du, mit solchen Muskeln und einem so kleinen Penis.“
- „Manchmal muss man sich ausdrücklich selbst aus dem Weg gehen, um in Schwierigkeiten zu geraten. Das nennt man Spaß.“
- „Kennt ihr den Unterschied zwischen der Army und dem CVJM?… Der CVJM hat keine schwere Artillerie.“
- „Es hat noch nie einen Mann gegeben, der es so dringend nötig hatte, einen geblasen zu bekommen, wie Sie.“
Ein bisschen wie im Feldlazarett
Adrian Cronauer, also der echte Cronauer, war Mitte der 1960er zwar wirklich in Vietnam und stieß dort mit seinem respektlosen Radioprogramm nicht immer auf die Gegenliebe des Militärs. Aber so derartig eskaliert wie im Film ist die Situation damals nicht. Cronauer hatte später das Drehbuch verfasst und seine eigene Lebensabschnittsgeschichte ordentlich frisiert. Und zumindest theoretisch kann man sich sehr gut vorstellen, dass er regelmäßig M.A.S.H. gesehen hat, während er das Skript schrieb. Wohlgemerkt eher M.A.S.H., die Serie, und weniger M.A.S.H, den Film. Wir erinnern uns: Alan Alda spielte da den Charakter des „Hawkeye“ Pierce, einen Chirurgen in einem Feldlazarett mitten im Korea-Krieg, ausgestattet mit begnadeten Händen, schlimmen Fingern und einem unverrückbaren moralischen Kompass.
Dieser Hawkeye Pierce leidet dort regelrecht unter der paradoxen Situation, dass er verletzte Soldaten wieder zusammenflicken darf, nur damit sie sofort wieder zurück an die Front können, um sich erneut zerschießen zu lassen. Pierce überspielt diesen Wahnsinn mit vielen Drinks, bösen Streichen, reichlich Sarkasmus – und wohlgemerkt stets mit liberaler Gesinnung und melancholischem Unterton. In Good Morning, Vietnam gibt es eine hübsche Szene, die so auch in M.A.S.H. gepasst hätte: Cronauer begegnet dort einer Truppe GIs auf dem Weg nach Nha Trang. Er macht sich sichtlich Sorgen um die Jungs, sieht aber, was seine Witze den Soldaten bedeuten. Also scherzt er tapfer weiter, auch wenn ihm nicht nach Lachen zumute ist. Bezeichnenderweise folgt direkt darauf der große Satchmo mit „What a wonderful World“.
Durch Saigon irrlichtern …
Good Morning, Vietnam hat ein schweres Thema. Doch ist der Film unheimlich leicht. Auch da vereint er einen Gegensatz. Regisseur Barry Levinson erzählt seine Geschichte eher episodisch. Passagen mit Cronauers wilden Radioshows wechseln mit seinen Erlebnissen in Bars, Sprachschulen und Schreibstuben, lose verbunden durch Impressionen aus dem Krieg und durch einige Soul- und Rock-Klassiker wie „Nowhere to run“ von Martha & the Vandellas oder „I get around“ von den Beach Boys. Williams irrlichtert durch Saigon und der Zuschauer mit ihm durch die Geschichte. Er hat Spaß, muss lachen, wird berührt, swingt und groovt und kriegt ganz nebenbei ein Statement gegen den Krieg mit auf den Weg.
Da fällt es auch nicht weiter ins Gewicht, dass Cronauers nette Radio-Kollegen beinahe schon ein bisschen zu nett und die Armleuchter-Militärs ein bisschen zu sehr Armleuchter sind. Oder dass der letzte Akt im Vietcong-Gebiet ein bisschen „angehängt“ wird an die Handlung, um noch etwas Spannung zu erzeugen, und das völlig unnötig. Das ist egal, denn Good Morning, Vietnam ist ein wunderbarer Anti-Kriegsfilm, und das weitgehend ohne Explosionen und Metzeleien. Auch eine Leistung.
In Kürze: Good Morning, Vietnam ist ein Anti-Kriegsfilm und als solcher vielleicht einer der wenigen Filme, die nicht zugleich Kriegsfilm sind. Er erzählt eine höchst menschliche Geschichte voller Ironie und jubelt dem Zuschauer wie selbstverständlich seine Botschaft unter. Ach ja, und Robin Williams, wunderbar.
Bewertung: 9 / 10