Alita: Battle Angel ist eines dieser sagenumwobenen Projekte von James Cameron: Seit fast 20 Jahren in Planung, Sci-Fi im Hightech-Gewand. Schade, dass der Film die Vorfreude nicht ganz einlöst.
Fangen wir mal am Ende an. Denn das ist ganz wesentlich für Alita: Battle Angel. Warum? Da sehen wir endlich den Bösewicht des Films. Der große Antagonist. Derjenige, der unserer Heldin das Leben – oder vielmehr: das Cyborg-Leben, schließlich befinden wir uns in einer Manga-Verfilmung – schwermacht. Wir sehen kurz sein leicht entstelltes Gesicht und schauen ihm dabei zu, wie er eine Brille abnimmt. Schnitt. Wir sehen unsere Heldin, wie sie ihm ihr Schwert entgegen streckt. Zeichen einer Konfrontation. Der Kampf kann beginnen. Der Punkt ist nur: Wir befinden uns eben am Ende des Films, nicht am Anfang oder im Anschluss an eine Exposition. Und die beiden stehen sich auch nicht von Angesicht zu Angesicht gegenüber, vielmehr trennen sie Hunderte von Höhenmetern, der eine unerreichbar für den anderen. Abspann.
Dieses Ende ist die ganz wesentliche Schwäche von Alita. Und es hat – quasi rückwärts gewandt – Konsequenzen für den gesamten Film und seine Dramaturgie. Denn es sagt innerhalb von Sekunden und mit nur wenigen Einstellungen: Lieber Zuschauer, alles, was du gerade gesehen hast, war nur Vorgeplänkel. Es war nicht wichtig. Nur eine 122 Minuten lange Einleitung für eine Fortsetzung, die vielleicht irgendwann mal folgen wird – oder eben auch nicht, wenn man sich das bisherige Box Office des Films anschaut. Nun ist Alita beileibe nicht der erste und einzige Film, der von Beginn an auf ein mehrteiliges Franchise ausgelegt ist. Beispiele dafür gibt es in Hülle und Fülle, ob dies nun gute oder schlechte Filme betrifft, erfolgreiche Franchises oder solche, die es bei einem Film belassen mussten, weil das Publikum dann doch nicht so wollte wie die Produzenten.
Eigentlich ist doch alles gut
Im vorliegenden Fall ist die Sequelitis aber so ärgerlich wie frustrierend. Warum? Weil Alita: Battle Angel im Kern eine gelungene Manga-Verfilmung ist. Der Film und seine Macher – Regie Robert Rodriguez, Produktion James Cameron, Drehbuch beide – sind sehr erfolgreich darin, die Welt, in der Alita spielt, lebendig werden zu lassen. Die Dystopie lebt und atmet und sieht auch noch verdammt gut aus. Das liegt vielleicht daran, dass sie nicht eine zerstörte Depri-Welt präsentiert, sondern der Schauplatz Iron City wirklich so aussieht, als sei er bewohnt und als litten seine Bewohner nicht nur (also vielleicht ein bisschen, aber man hat sich arrangiert). Hinzu kommt, dass mit Rosa Salazar eine grundsympathische Hauptdarstellerin gefunden wurde, die glaubhaft vom reh- bzw. manga-äugigen kleinen Mädchen zur charakterstarken Heldin heranreift. Übrigens liefert der restliche Cast, allen voran Christoph Waltz, auch eine sehr ordentliche Leistung ab.
Um eine technologische Revolution im Kino zu feiern, braucht es zwei Dinge: 1. eine technologische Revolution, logisch. 2. einen erfolgreichen Film – damit die Leistung überhaupt wahrgenommen wird. Bei Jurassic Park war das der Fall, bei Avatar auch. Nun hat sich die Technik seit dem Jahr 2009 weiterentwickelt, nur war sie in den falschen Filmen zu bewundern. Warcraft aus dem Jahr 2016 zum Beispiel war ein großer Schritt nach vorne. Die dort präsentierten grünen Orks ließen die blauen Na´vi in Sachen Animationskunst und Motion Capturing locker im Schatten stehen. Alita ist noch einen Schritt weiter: So sehr im Vorfeld auch ihre übergroßen Manga-Augen kritisiert wurden und sich mancher Filminteressierte sofort im Uncanny Valley wähnte, so überzeugend ist das fertige Ergebnis im Film. Alita sieht gleich in ihrer ersten Szene täuschend echt aus, nur halt ein wenig anders. Aber doch so menschlich, dass die Liebesgeschichte mit ihrem Hugo auch wirklich funktioniert. Es dürfte für sich sprechen, dass die anfängliche Kritik nach Kinostart eher einem Lob gewichen ist – sofern den Film überhaupt jemand gesehen hat.
Das liebe Mädchen oder die wilde Furie?
Und dann entlässt der Film seinen Zuschauer in den dunklen Kinosaal und gibt ihm keine fundierte Antwort darauf, worum sich das ganze Tohuwabohu gerade eigentlich gedreht hat. Der gesamte Background von Alita, ihr großes Geheimnis, wird in zwei, drei sekundenlangen Flashbacks nicht mal angedeutet, sondern allenfalls angerissen. Wie da die kleinen Infohäppchen kommen, wirkt leider sehr konstruiert – man merkt der Story jederzeit an, dass der Wille gefehlt hat, mehr zu verraten. Jetzt könnte man argumentieren: Die Manga-Vorlage besteht aus neun Teilen, da ist schon noch genug Inhalt vorhanden. Und sicherlich ist die nette Liebesgeschichte, die Alita erlebt, nicht ganz unwichtig für ihre Charakterbildung. Aber zwei Sachen werden eben nicht erzählt: Was ist Alitas Motivation? Und welche Aufgabe hat überhaupt der – vermeintlich! – böse Nova, also ihr – vermeintlicher! – Gegenspieler?
Das führt dann unweigerlich zu einigen emotionalen Unwuchten. Etwa wenn die so gutherzige wie sympathische Alita, wenn also dieses Mädchen, mit dem man am liebsten Pferde stehlen möchte, am Ende kaltblütig den bösen Unteroffizier aufspießt. So gut die Schauspieler auch aufspielen, so nett die Liebesgeschichte erzählt ist und so wuchtig die Action in Szene gesetzt wird, Alita bleibt eine Geschichte, die bewusst in ihren Möglichkeiten beschnitten wurde. Insofern – wenn man einen Vergleich mit einem der allgegenwärtigen Superheldenfilme ziehen will – ist das alles sogar weniger als eine Origin-Geschichte. Eher ein Pilotfilm für eine Serie.
In Kürze: Alita: Battle Angel ist eigentlich ein guter Film. Die Bilder sind wunderschön, die Schauspieler passen nahezu perfekt, die Inszenierung ist stimmig. Was sehr schade ist, denn desto mehr ärgert die Tatsache, dass der Film konsequent auf Fortsetzung getrimmt ist. Alita: Battle Angel ist in seiner Anlage nicht mehr als ein Pilotfilm und verrät zu wenig über die Motivation seiner Heldin.
Bewertung: 7 / 10 (wegen der zahlreichen guten Ansätze)