John Hiatt legt ein neues Album vor: „The Eclipse Sessions“. Darauf hadert er mit seinem Leben und seinem Alter. Klingt depri? Keineswegs, denn da hat es noch den Hiatt-Touch…
Ja, passt. Es braucht nur zwei, vielleicht drei Akkorde, und schon weiß man: alles bestens, alles gut. Ein paar entspannt geklampfte Gitarren, ein nicht minder entspannt groovendes Schlagzeug und dann natürlich diese Stimme: ein bisschen rau und ein ganzes bisschen mehr quäkend. John Hiatt steigt tiefenentspannt, aber mit dem richtigen Händchen für ordentliche Melodien und Arrangements in sein neues Album ein. Der Song „Cry to me“ ist ein gutes Stück Roots-Rock und reiht sich problemlos zwischen den anderen starken Stücken des Meisters ein. Doch auch wenn der Rhythmus den Zuhörer sofort mitträgt und der warme Sound ihn wohlig einhüllt, schwingt die ganze Zeit auch ein bisschen Melancholie mit. Kein Wunder, ist „Cry to me“ eigentlich ein Song über das Irren und Scheitern.
They´re all having fun playing with your feelings.
You can´t control it, it just breaks your heart.
Dirty double-crosses done with underhanded dealings.
When all you ever wanted was a place to start.
– John Hiatt – „Cry to me“
Damit vereint gleich der erste Song die wesentlichen Stärken des Albums in sich. John Hiatt gewährt auf „The Eclipse Session“ einen kleinen Einblick in sein Inneres. Was davon echt ist und was hinzugedichtet, das lässt sich nur vermuten. Aber man merkt schon, dass Hiatt mit seinen 66 Jahren mal kurz innehält und über das Leben sinniert mit all seinen Höhen und vor allem Tiefen. Das klingt nun unheimlich depressiv? Auf keinen Fall. Hiatt ist eigentlich immer dann besonders gut, wenn er nachdenklich wird. Und er wird nicht umsonst dafür gelobt, seine Gedanken in ordentliche Texte zu gießen. Ein paar Balladen sind dabei unvermeidlich, aber die Eclipse Sessions bieten doch überwiegend augenzwinkernd groovende Midtempo-Nummern mit hohen Fingerschnipp-Qualitäten.
Alt, aber oho
Apropos augenzwinkernd: im flotten „Poor Imitation of God“ nimmt sich Hiatt selbst auf die Schippe und lässt seine charakterlichen Schwächen Revue passieren. Das langsame Pendant dazu lautet „Nothing in my Heart“ und zeichnet ein düsteres Bild vom Innenleben Hiatts. „Over the Hill“ ist dann wie der Opener wieder ein Stück zum Mitswingen – oder zum Mithören und Rätseln, ob Hiatt da vom eigenen Alter singt oder von der inneren Distanz zu anderen Menschen. Ob der jaulige Rock´n´Roller „Outrunning my Soul“, die schwermütige Ballade „Hide your Tears“, das nachdenkliche „Aces up your Sleeve“ oder wieder das ironische „Robber´s Highway“, das alles sind wunderbar ausgearbeitete kleine Reflexionen darüber, was war, was hätte sein können und wie sich alles verändert hat. Wohlgemerkt, das muss man bei dem Thema wohl wiederholen, mit catchy Melodien und geschliffenen Versen.
Can´t feel the fingers of one hand.
Last night felt like a three night stand.
Mouth full of cotton, feet of clay.
I didn´t plan on waking up today.
– John Hiatt – „Robber´s Highway“
Handwerklich geht das alles auf hohem Niveau über die Bühne. Man merkt, dass das Album in einer Jam Session-Atmosphäre ohne Eile und mit befreundeten Musikern in privatem Umfeld entstanden ist. Übrigens bereits im vergangenen Jahr und unter dem Eindruck der Mondfinsternis im August – daher der Titel der Scheibe. Was bleibt noch zu sagen? Die Songs gehen zwar auf Anhieb gut ins Ohr, aber manche entfalten ihre Stärken erst nach mehreren Durchläufen. Als Quintessenz könnte man vielleicht rausziehen: Älterwerden ist kein Spaß, aber es geschieht einfach – und Fehler zu machen, gehört auf dem Weg dazu. Wenn dabei solcher Country-Folk-Rock herauskommt, hat Hiatt wohl doch einiges richtig gemacht.
In Kürze: John Hiatt wird älter – und nutzt die Gelegenheit, um inne zu halten und zurück zu blicken. Das bedeutet aber nicht, dass die Americana-Legende einen Depri-Song an den nächsten reiht. Vielmehr gibt es kleine Reflexionen darüber, was war und was hätte sein können, mit catchy Melodien und mit geschliffenen Versen.
Bewertung: 8 / 10