Ein Nerd beim Yoga – wie konnte das passieren? Ja, ich hab´s meiner besseren Hälfte zuliebe getan. Ohne Zwang natürlich (ehrlich!). Grund genug für einen Erfahrungsbericht aus zwei Perspektiven.
Wanderlust ist Yoga-Lust
Dagmars Bericht
Auf der Matte ist jeder erst einmal alleine. Man spürt das, was man selbst mitbringt, und erlebt das, was das Yoga einem während der Asanas, der Übungen, gibt. So erfahre ich meine eigene Yoga-Praxis. Das ist wie „nach Hause kommen“. Es kann aber auch so anders sein. Und anders war für mich das Erlebnis Wanderlust 108 im schönen Brentanobad in Frankfurt. Plötzlich stand ich nicht mehr alleine auf der Matte. Ich war in einer Gemeinschaft von mehreren 100 Gleichgesinnten. Wow – alle vereint im Yoga.
„Man lächelt sich an und ist – schwupps – Teil der Kula, der Gemeinschaft.“
Von allen Seiten strömten die Teilnehmer herbei, deutlich erkennbar an der Yogamatte im Gepäck. Wir lächelten uns an und schwupps waren wir Teil der „Kula“, Sanskrit für Gemeinschaft. Genau das macht Lust auf Yoga. Die Asanas sind die gleichen, ob der Krieger, die Vorbeuge – trotz meiner jahrelangen Praxis immer noch eine Herausforderung – oder der herabschauende Hund. Diese in einer völlig neuen Umgebung unter freiem Himmel zu erleben, war für mich unerwartet neu, aufregend – und schööön. Es war meine Premiere auf einem Yoga-Festival. Sicher, ich hatte mich gefragt, ob meine Yoga-Praxis für dieses Niveau ausreicht. Immerhin war Jelena Lieberberg mit ihrem „Kick-Ass Yoga“ dabei, begleitet von Eva Klein. Beide hatten sich in der Szene einen Namen gemacht. Und Yoga-Lehrende live zu erleben, die ich bisher nur aus den einschlägigen Zeitschriften kannte, das hatte schon was.
Trotzdem: „Kick-Ass Yoga“, das klang auch für mich schon etwas beängstigend. Und da ich nicht alleine bei der Wanderlust war, habe ich auch an meine männliche, vielleicht etwas ungelenke Begleitung neben mir auf der Matte gedacht. Wenn ich schon Respekt vor der fordernden Praxis hatte, wie mochte es wohl ihm ergehen? Für meinen Liebsten, der mir mit seiner Teilnahme einen großen Gefallen getan hat, war es das erste Mal auf der Matte überhaupt – echt mutig. Doch meine Bedenken waren unbegründet: Jelena und Eva haben wunderbar und fachkundig angeleitet – bei mehreren 100 Teilnehmern eine beeindruckende Leistung, der ich großen Respekt zolle. Als Trainerin weiß ich selbst sehr wohl, was dazu gehört, gut anzuleiten. Die Kombinationen von Übungen ergaben einen kraftvollen Flow, den ich sehr genossen habe. Und auch der Yoga-Neuling neben mir hat sich sehr wacker gehalten. Großes Lob an ihn!
„Als Trainerin weiß ich selbst sehr wohl, was dazu gehört, gut anzuleiten.“
Natürlich hatte Wanderlust sehr viel mehr zu bieten, und ich könnte stundenlang von den Event erzählen – von meinen Erfahrungen beim 5-Kilometer-Lauf, der entspannten Umgebung, vom Hippie Flow als ergänzenden Yoga-Workshop und dem bunten Kula-Markt. All das hat für mich einen gemeinsamen Nenner: Yoga in der Gemeinschaft, in der man eben nicht alleine auf der Matte ist, in der jeder sein Yoga praktiziert, es auch in seinem Verständnis tun darf und in der man einfach bei bestem Sonnenschein Spaß an der Bewegung hat – eben pure Yogalust.
„Yoga in der Gemeinschaft – das ist pure Yoga-Lust.“
MEINt ihr das ernst?!?
franks bericht
Verschrauben. Ich habe ein neues Hass-Wort. Verschrauben! – Verschrauben klingt vielleicht ganz harmlos, aber weit gefehlt: Verschrauben bedeutet Schmerz! Die Dame da vor mir auf der Bühne legt es darauf an, meine Muskeln zu malträtieren. Das tut sie, indem sie eine möglichst unnatürliche Pose einnimmt, die ich nachmachen soll. Und in die wir beide uns dann hineindrehen – also verschrauben. Was ihr deutlich besser gelingt als mir. Meine Muskeln sagen mir: Du machst wohl Witze! Dann sagen sie: Du spinnst wohl! Und dann beginnen sie zu jammern: Aufhören, bitte! Aber es hilft nichts, ich mache ja alle Posen bereitwillig mit: den herabschauenden Hund, das Brett, den Krieger 1 und den Krieger 2, die Heuschrecke (auf Sanskrit: Shalabhasana – ja, ich fand den Namen lustig und habe die Schreibweise gegoogelt, ich geb´s zu) und den Stuhl (Utkatasana).
„Verschrauben! Die Frau da vor mir macht Ernst und malträtiert meine Muskeln.“
Ach, übrigens: Es geht um Yoga, falls ich das noch nicht gesagt haben sollte. Ich befinde mich auf der Wanderlust Frankfurt. Zusammen mit meiner weiblichen Begleitung und mit ein paar Hundert anderen Frauen. In einem kleinen und liebevollen Anflug von Masochismus habe ich mich dazu bereit erklärt, meine beste Hälfte zu diesem Yoga-Festival zu begleiten. Die ist übrigens bereits am Eingang zum Veranstaltungsgelände ganz begeistert und hüpft sogar vor Freude. Dazu sollte man vielleicht wissen, dass sie seit vielen Jahren Pilates und Yoga macht und selbst in ihrer Freizeit als Trainerin tätig ist. Mit anderen Worten: Sie hat in Sachen Yoga echt was los – im Gegensatz zu mir. Aber einerseits bin ich als erwachsener Nerd ja offen für alles. Andererseits will ich mal selbst sehen, was an dieser Nummer dran ist. Und überhaupt: Meine Liebste beweist ja auch Leidensfähigkeit und begleitet mich an Orte, für die sie sich weniger begeistern kann als ich. Zeit, dass ich mich mal revanchiere.
„Weißt du, woraus dein Tampon ist?“
„Weißt du, woraus dein Tampon ist?“ – Nein, weiß ich natürlich nicht. Die Frage steht auf einem Plakat hinter dem Eingang zur Wanderlust. Ein Shop ist dort aufgebaut und informiert über nachhaltige Hygieneprodukte für Frauen. Daneben gibt es Shops für Schmuck, Kosmetik, Faszienrollen aus Holz (um das Bindegewebe zu quälen, äh, zu massieren). Mir wird also gleich klar, wer hier die Zielgruppe ist – und dass Yoga heutzutage auch mehr ist als ein reicher indischer Fundus geistiger und körperlicher Übungen. Kein Wunder: Wanderlust wandert in Kooperation mit einem bekannten Sportartikel-Hersteller durch die Städte. Wir tragen also unsere Yoga-Matten vom „Bags Drop“ vorbei am sogenannten „Kula-Markt“ und der „Hydration Station“ zur Bühne, wo ein DJ für „freshe Beats“ sorgt und ein Animator namens Fabrizio das „Warm-up“ übernimmt. Ich schaue mich um: Der Männeranteil liegt tatsächlich bei maximal 1 Prozent!
Klingt das jetzt, als wollte ich unken? Nein, bitte nicht falsch verstehen: Natürlich ist dieser Event auch Kommerz. Wie eben alles. Aber es ist auch hochinteressant für den geneigten Nerd: Auf der Bühne leiten Jelena Lieberberg das „Kick-Ass-Yoga“ (Sadistin!), Eva Klein ein etwas entspannteres Yoga (sehr angenehm) und Madhavi Guemos, die statt „Wanderlust“ immer „Wonderlast“ sagt, die Meditation (super, könnte ich stundenlang machen) an. Falls das keinem der Howling Men-Leser etwas sagt: Man stelle sich eine Comic-Con vor, bei der Warwick Davis, Maisie Williams und Lauren Cohan auf der Bühne stehen. Die Damen im Publikum, inklusive meine Begleitung, sind wirklich gut und voll bei der Sache. Ich versuche derweil auf meiner Matte, nicht den Anschluss zu verlieren, gehe immer wieder in die Hocke, in einen Liegestütz, verschränke die Glieder und merke, dass ich noch ein paar Muskeln mehr habe als die, die ich immer im Fitness-Studio trainiere. Und ich bin sehr dankbar: Keine der anwesenden Damen lacht über meine Verrenkungen. Ich bin mir nicht sicher, ob Hardcore-Nerds auf einer Con so nachsichtig wären…
Ach, übrigens, am Rande: Eine wunderbare Ergänzung zum Wanderlust-Programm war der entspannende Hippie-Flow von Kim Kassandra Schmid, die in ihrem Yogimobil durch die Republik tourt und Yoginis auf Vordermann bringt. Mehr Infos gibt es in ihrem Blog.
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