World War Z – erinnert sich noch jemand? Ist inzwischen auch schon wieder sieben Jahre her. Beinahe eine Ewigkeit. Aber da war doch was… Warum es lohnt, den Film noch mal in die Sichtung zu nehmen…
Zombie – das Wort verspricht doch schon einiges. Der ausgewiesene Genre-Fan weiß: Sobald Zombies im Spiel sind, wird es schmoddrig. Da wird gesabbert und gebissen, was das Zeug hält. Da gibt es keine leichten Blessuren wie im Vampirfilm, nein, da haben gleich die Körperteile und Innereien durchs Bild zu fliegen. Und Blut muss fließen, am besten hektoliterweise. Mit anderen Worten: Ein Zombiefilm ist nichts für sanfte Gemüter, da wird es unschön und explizit. World War Z ist ein Zombiefilm, und zwar einer mit massenhaft Zombies. Wie der Titel schon sagt, der Maßstab ist groß. Die ganze Welt wird gebissen, da werden keine halben Sachen gemacht. Und World War Z bietet von all den groben Zombiefilm-Splatter-Zutaten… nichts!
Was wiederum überhaupt nichts ausmacht. Eher im Gegenteil, es ist die große Stärke des Films. World War Z zeigt gleich zu Beginn Brad Pitt nebst Filmfamilie, darunter die ganz zauberhafte Mireille Enos. Und bei Pitts daheim ist noch alles völlig normal, lediglich ein paar Meldungen im Fernsehen sprechen von irgendeiner Infektion, die umgeht. Aber das scheint weit weg, da wird nicht mal so ein Tanz gemacht wie aktuell um das Coronavirus. Die Familie fährt in die Stadt, steht im Stau, völlig alltäglich – und plötzlich dreht scheinbar und ohne Grund die ganze Welt durch. Leute flüchten durch die Häuserschluchten, Polizei fährt hin und her, irgendwo explodiert etwas. Dann fallen die ersten Menschen übereinander her. Und die Filmfamilie weiß gar nicht mehr, wo ihr der Kopf steht.
Desorientierung statt Gekröse
World War Z ist insofern ein schönes Beispiel dafür, dass es auch anders geht. Regisseur Marc Forster schmeißt den Zuschauer, der natürlich weiß, worum es geht, mitten ins Geschehen. Und er vermittelt bei der Hatz durch die Innenstadt von Philadelphia (die in Glasgow gedreht wurde) ein gelungenes Gefühl der Desorientierung. So geht das Ganze zunächst auch fröhlich weiter: Die Filmfamilie flieht teils durch klaustrophisch-düstere Hochhaus-Gänge, teils durch monumentale Szenarien. Und erlebt einige nette Endzeit-Episoden, etwa wenn der örtliche Supermarkt geplündert wird, der herbeieilende Polizist aber nicht die Plünderer aufhält, sondern zusieht, dass er sich im Angesicht der Gefahr erst mal selbst versorgt. Die Amerikaner mögen es ja, sich auf unangenehme Zeiten vorzubereiten.
Marc Forsters Film ist heute schon wieder sieben Jahre alt – die Zeit rennt. Es mag einem vorkommen, als sei der Streifen gestern ins Kino gekommen, aber es war bereits im Jahr 2013. Das macht World War Z aus zweierlei Gründen interessant. Erstens: So wie im Film die Zombieplage um sich geht, so geht aktuell das genannte Coronavirus um (siehe Kasten). Aber für den Filmfan und den Medien-Interessierten mit Hang zur Nostalgie noch interessanter: World War Z führt einem mit Abstand von sieben Jahren auch sehr hübsch vor Augen, wie mediale Hypes funktionieren, im Guten wie im Schlechten.
Der Katastrophen-Film
World War Z war eine krisengeschüttelte Filmproduktion. Zur Erinnerung: Als Marc Forster 2011 auf Malta mit den Dreharbeiten begann, lagen bereits ein Bieter-Duell um die Rechte an Max Brooks (ja, ja, der Sohn von Mel Brooks) gleichnamigem Roman sowie mehrere Drehbuchfassungen, darunter eine von Babylon 5-Macher J. Michael Straczynski, ein paar Jährchen zurück. Trotzdem gab es noch keinen richtigen dritten Akt: Ein sündteures, in Moskau gedrehtes Finale wurde in die Tonne gestopft. Damon Lindelof und Drew Goddard sollten in Windeseile einen neuen Schluss schreiben, das Budget geriet außer Kontrolle. Und als Kirsche auf der Sahne kamen Gerüchte auf, dass weder Regisseur Marc Forster, der zuvor den wenig geliebten Bond-Film Quantum of Solace gedreht hatte, noch sein Team solch einer Großproduktion gewachsen seien.
Da wir gerade bei medialen Hypes sind – nur so am Rande… In World War Z geht ein Zombie-Virus um. Die Zeichen stehen nicht auf Gesplatter, sondern auf Pandemie. In der richtigen Welt – das mag man nun ironisch finden oder beängstigend – geht derzeit das Coronavirus um. Die Medien halten jedenfalls umfassend und mal mehr, mal weniger reflektiert darüber auf dem Laufenden, was gerade in China und sonstwo abgeht. Das Ganze hat noch einen interessanten Nebeneffekt: Im Jahr 2011 brachte Steven Soderbergh einen relativ realistischen Pandemie-Film namens Contagion ins Kino. Da dort nicht spannend gehetzt wurde wie in Outbreak, sondern traurig gestorben, spielte der Film zwar ganz ok Geld ein. Aber er war weit davon entfernt, ein Blockbuster zu sein. Insofern könnte der Streifen längst vergessen sein. Doch was passierte unlängst? Mit Auftauchen von Corona stieg Soderberghs Film wieder in die iTunes-Charts ein. Ende Januar lag er auf Platz 13 in den USA und auf Platz 33 in Deutschland – und er hält sich hüben wie drüben beharrlich…
Mediale Schadenfreude
Die Medien – allen voran die Vanity Fair – stürzten sich dankbar und nicht ohne Schadenfreude auf die Story und hatten bereits einen Verlierer des Filmjahres 2013 ausgemacht, bevor der Film überhaupt ins Kino kam. Selbst Brad Pitts Karriere wurde in Frage gestellt: Würde es dem gealterten Sexsymbol noch gelingen, genug Leute ins Kino zu locken? Schwer vorstellbar! Das alles erscheint aus heutiger Sicht eher lächerlich. Zum einen weil Disney im gleichen Jahr den Megaflop Lone Ranger ins Kino brachte, der medial eher mit einem vergleichsweisen Schulterzucken goutiert wurde. Zum anderen weil World War Z letztlich mit einem weltweiten Box Office von 540 Mio. Dollar so viel einspielte wie kein Zombiefilm vor und nach ihm. Und weil Brad Pitt bereits ein Jahr später den Produzentenoscar für 12 Years a Slave und unlängst den Nebenrollen-Oscar für Tarantinos Once upon a Time in Hollywood entgegennahm. Ein Karriereende sieht anders aus.
Was bleibt also übrig von der Schlacht um den Zombie-Weltkrieg? Nicht mehr und nicht weniger als ein verdammt guter Film. Marc Forsters Film kommt zwar – vermutlich dem hohen Budget geschuldet – arm an Blut und Gekröse daher. World War Z ist aber auch weniger ein reiner Zombiefilm als vielmehr ein Virusfilm: Es geht nicht nur darum, im Angesicht des Grauens zu fliehen und zu überleben wie etwa bei The Walking Dead. Vielmehr gibt es eine Jagd auf den Ursprung der Pandemie, auf den Indexpatienten, von dem alles ausgegangen ist, und der Suche nach einer Heilung. Petersens Outbreak oder Soderberghs Contagion lassen grüßen. Folgerichtig gibt es eine Schnitzeljagd quer über den Erdball von den USA nach Südkorea, von Israel nach England und schließlich nach Kanada.
Schöne Ideen im Großen wie im Kleinen
Dabei geizt World War Z weder mit großen Schauwerten – immer wieder zeigt er aus der Vogelperspektive, wie Zombiemassen Städte wie Philadelphia oder Jerusalem überrennen. Noch mangelt es ihm an netten Ideen – ob das nun die kleine Fahrradtour auf einer Militärbasis ist oder die Zombie-Attacke in einem Flugzeug, wo es folgerichtig keine Möglichkeit gibt wegzulaufen. Auch das eilig nachgereichte Finale erweist sich eher als Segen denn als Fluch. Der Film wechselt vom Freien in die Gänge einer WHO-Einrichtung und damit abrupt die Tonart. Er ist nicht mehr monumentale Weltrettung, sondern kammerspielartiges Suspensestück – und liefert damit ein seltenes Beispiel für einen gelungenen Anti-Klimax in einem Blockbuster. Nix laute und ermüdende Materialschlacht, sondern leises und spannendes Geschleiche.
Abschließend vielleicht noch eine kleine Liebeserklärung. Nein, nicht für Brad Pitt mit seiner Kurt Cobain-Gedächtnisfrisur. Sondern für die weiblichen Haupt- und Nebendarsteller. Namentlich Mireille Enos und die Israelin Daniella Kertesz, die man seitdem in viel zu wenig Filmen gesehen hat. Da macht es auch überhaupt nichts, dass – man muss es abschließend noch mal erwähnen – der Film World War Z mit dem Buch World War Z von Max Brooks im Grunde rein gar nichts mehr gemein hat. Das Buch handelt nicht von einer Jagd auf ein Virus, sondern ist mehr eine Chronik einer zurückliegenden Zombieplage. Dass der Schinken nicht mal einen richtigen Protagonisten hat, fiel den Damen und Herren in Hollywood erst auf, nachdem Paramount 1 Mio. Dollar für die Filmrechte bezahlt hatte. Ja, ein bisschen Schadenfreude kann man den Medien doch nicht verdenken…
In Kürze: World War Z ist zweierlei. Zunächst einmal eine spannende Zombiefilm-Variante, die einiges anders macht als ihre Genre-Kollegen und damit nicht nur gut, sondern einfallsreich unterhält. Und dann ein aus heutiger Sicht belustigendes Beispiel für einen medialen Hype rund um eine vermeintliche Katastrophenproduktion.
Bewertung: 8 / 10