Wie setzt man einen Überraschungserfolg fort? Vielleicht mit wenig Überraschungen. Macht jedenfalls A Quiet Place – Part II. Aber macht es auch gut.
Erinnert sich noch jemand an das Ende von A Quiet Place? Regan Abbott, das taube Töchterchen der Abbott-Familie, hat da eine kleine Entdeckung gemacht: Sie hat gemerkt, dass ihr Hörgerät eine schmerzhafte Rückkopplung bei diesen komischen Monstern mit dem ausgeprägten Gehör verursacht. Also hat sie das kleine Gerät, das Papa Abbott ihr gebastelt hatte, einfach an einen Sender gehalten, die kreischigen Frequenzen um ein Vielfaches verstärkt und den End-Monster-Gegner schachmatt gesetzt. Die letzte Einstellung des ersten A Quiet Place zeigt Emily Blunt als Mutter Abbott, die entschlossen ihre Schrotflinte durchlädt, bevor wir in den Abspann entlassen werden. Und wir denken: Jau, die Leutchen haben den Dreh raus, jetzt geht es zum Gegenangriff und den Monstern an den Kragen!
Tja, und am Ende von A Quiet Place – Part II, wo befinden wir uns da? So viel Spoiler sei erlaubt: Töchterchen Regan hält ihr Hörgerät an einen Sender, verstärkt die kreischigen Frequenzen um ein Vielfaches und setzt den End-Monster-Gegner schachmatt. Bei der letzten Einstellung des zweiten A Quiet Place beschleicht uns somit das Gefühl, als seien wir gerade 90 Minuten im Kreis gelaufen. Man merkt regelrecht, dass der erste Teil ein Überraschungserfolg gewesen ist und Autor bzw. Regisseur bzw. Blunt-Ehemann John Krasinski nun vor der Herausforderung stand, die schmale Endzeit-Story rund um seine kleine Survival-Familie im amerikanischen Nordosten über die Runden zu bringen und zur Trilogie aufzublasen. Damit fällt der Fortsetzung die undankbare Aufgabe zu, mehr überzuleiten als weiterzuerzählen.
Auf ausgetretenen Zombie-Pfaden
Richtig satt macht A Quiet Place – Part II insofern nicht. In einer ausgedehnten Intro-Sequenz erhält der Zuschauer ein paar Bröckchen an Information über den Beginn des großen Lauschangriffs. Die verbliebenen knapp 70 Minuten wandelt die Fortsetzung – wie erwartet und wie befürchtet – auf den Pfaden von The Walking Dead. Sprich: Nix mit Mysterien-Forschung rund um die Monster, die vermeintlich aus dem All stammen. Man wagt sich vielmehr ein paar Schritte raus aus der vertrauten Umgebung und rein in etwas amerikanische Rust Belt -Romantik. Dann trifft man Cillian Murphy, der einen gleichwertigen Ersatz für den im ersten Teil hingeschiedenen Familienvater abgibt. Man schlägt sich ein klein wenig mit verkommenen Überresten der Zivilisation herum. Und man findet eine kleine Heile-Welt-Kommune mit deutlich freundlicheren Überlebenden – bis der nächste Angriff ansteht.
Innovativ geht also anders. Was schade ist, weil der erste A Quiet Place doch gerade von einer Neuerung lebte, nämlich der verordneten Geräuschlosigkeit. Ungewohnt stilles Szenario, mächtig effektives Sounddesign: Genau das war der besondere Dreh von A Quiet Place. Davon ist in A Quiet Place – Part II leider wenig übrig. Allerdings: Krasinski macht das alles schon sehr versiert. Der Mann weiß, wie man Spannung aufbaut. Und das lässt sich in der zweiten Filmhälfte geradezu mustergültig beobachten: Da setzt es beinahe direkt hintereinander zwei längere Action- und Suspense-Sequenzen, die in schnellen Parallelmontagen erzählt werden und geradezu spielerisch zwischen „aussichtslos“ und „entschlossen“ hin- und herwechseln.
Logik? Haben wir nicht, kriegen wir auch nicht mehr rein
Natürlich ist A Quiet Place – Part II genauso High Concept-Thriller wie der erste Teil. Deshalb sollte man wieder einmal nicht über die Logik des Gebotenen nachdenken. Doch Krasinski ist ganz gut darin, gewisse Plotlöcher mit Tempo und Spannung zu übertünchen.
High Concept ist High Concept ist High Concept. Und das funktioniert nur, wenn man das Konzept auch schluckt – und nicht weiter drüber nachdenkt. Da galt schon für A Quiet Place und das gilt auch für A Quiet Place – Part II. Aber ein paar Fragen stellen wir uns doch … Achtung, Spoiler!
- Die netten Insulaner wollen andere Überlebende auf ihr Eiland locken, indem sie das sattsam bekannte „Beyond the Sea“ von Bobby Darin über den Äther schicken. Da muss der geneigte Endzeit-Radiohörer gleich zweimal um die Ecke denken. Warum senden sie nicht einfach eine Sprachnachricht: „Hallo, wir sitzen auf Insel XY, kommt vorbei, wir haben Kaffee und Plätzchen.“?
- Noch mal Insel: Unsere Helden Millicent Simmonds und Cillian Murphy dürfen sich an einer Marina zwischen allerlei Booten mit einigen verkommenen Subjekten herumschlagen, die irgendwas Böses von ihnen wollen. Was genau wird eh nicht erklärt. Aber: Diese bösen Drecksäcke haben eine Marina voller Boote und eine rettende Insel direkt in Sichtweite vor der Küste. Warum haben die nicht längst rübergemacht, sondern lauern lieber arglosen Wanderern auf?
- Mal eine grundsätzliche Frage: Diese ach so schrecklichen Monster sind recht effektiv darin, jeden um die Ecke zu bringen, der einen Mucks von sich gibt. Und so begegnen unsere Protagonisten auf ihren Reisen auch am laufenden Band irgendwelche Leichen, die in der Gegend rumliegen. Doch keine von denen ist irgendwie angenagt. Was die Fragen aufwirft: Wovon ernähren sich die Monster? Und warum bringen sie die Leute sonst um?
- Nur augenzwinkernd am Rande: Wer erwartet noch, dass wir uns in A Quiet Place – Part III zusammen mit den Helden durch ein dunkles (Höhlen-)Labyrinth schlagen auf der Suche nach der Monster-Königin bzw. dem Ober-Alien?
Nachwuchs-Heroine mit Handicap
Was A Quiet Place – Part II noch gut macht: Er etabliert die taube Jung-Schauspielerin Millicent Simmonds, welche die Tochter der Abbott-Familie spielt, als Action-Heldin. Überzeugte sie im ersten Teil noch als sinnierende und mit Schuldgefühlen hadernde Tochterfigur, nimmt sie hier die Schrotflinte in die Hand und zeigt den Erwachsenen genauso wie den Hörenden, wie man mit geifernden Monstern zu verfahren hat – und das wohlgemerkt außerhalb des Young Adult-Genres. Da vergisst man sogar recht wohlwollend, dass ihr Filmbruder Marcus einmal mehr als wandelndes Plot Device herhalten muss und als solches dazu verdammt ist, sich und andere möglichst in die Bredouille zu reiten. Was so vorhersehbar wie nervig ist.
Was man dann gedanklich noch wegschieben muss, sofern man es nicht mag, ist dieses typisch US-amerikanische Pionier-Idyll, das auch schon den ersten Teil auszeichnete. Wir erinnern uns erneut: Familie Abbott lebte da eine „Cozy Catastrophe“, eine kuschelige Katastrophe. Sie hatte sich recht gemütlich in der Endzeit eingerichtet, beim Abendessen wurde gebetet, und das Vatertier zeigte dem Sohnemann, wie man in der Wildnis überlebt, während die Frauen Heim und Herd hüten sollten. Im zweiten Teil kommt jetzt noch das Grenzmotiv hinzu: Als Prepper von Welt geht es gut ausgerüstet und mit Schrotflinte in der Hand raus ins Unbekannte. Man steht sich bei. Und wenn einem einer dumm kommt, und irgendjemand kommt einem immer dumm, dann lässt man Blei sprechen. Die Monster braucht es da gar nicht zwingend, das könnten auch Zombies oder Grizzly-Bären oder sonst was sein.
Ein Ende mit Würde?
Dem kleinen, aber feinen A Quiet Place-Franchise droht übrigens Ungemach – nicht von hungrigen Monstern, sondern von gierigen Filmproduzenten. Denn nach dem Kino-Erfolg des zweiten Teils wird nicht nur über eine finale, sondern gleich über mehrere Fortsetzungen gemunkelt. Spin-off inklusive. Schade, so besteht nämlich die Gefahr, dass auch die bislang angenehm knackigen Episoden aus dem (Über-)Leben der Abbotts so eine unendliche Geschichte wie The Walking Dead wird, nur eben im Kino. Kann man einer guten Erzählung nicht einfach mal ein würdiges Ende – oder vielmehr: ein Ende mit Würde – spendieren?
In Kürze: Des großen Lauschangriffs zweiter Teil. Mit allen Stärken und Schwächen des Vorgängers. Was schade: Die Story wandelt erwartbar auf den Pfaden von The Walking Dead. Was ganz gut ist: Das alles hat Tempo und ist erneut sehr spannend.
Bewertung: 7 / 10 (weil ich für Endzeit immer zu haben bin)