Die Zeit heilt alle Wunden, sagt man. Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung hat vor genau 20 Jahren bei manchen Fans solche Wunden geschlagen. So scheint es zumindest. Aber ein entspannter Blick aus der Distanz lohnt allemal.
Das Böse hat einen Namen! Nein, nicht Vader. Nein, auch nicht Palpatine. Und Ewok erst recht nicht. Das ultimative Verderben lautet auf den Namen Jar Jar Binks. Es dürfte sicherlich nicht wenige Kinogänger geben, die beim Klang dieses Namens auch heute noch eine Gänsehaut bekommen. „Mui mui mui, ich lieben euch!“ – Na, wer erinnert sich noch voller Grausen? Jetzt muss man der Fairness halber sagen, dass Schlappohr Jar Jar, von Haus aus Gungan vom Planeten Naboo, nicht das erste Alien in der Star Wars-Saga ist, das sich durch eine fehlerhafte Grammatik und eine absonderliche Diktion auszeichnet. Aber der plappernde Sumpfbewohner ist wohl der erste, der mit einem – diplomatisch ausgedrückt – eher unreifen Gemüt und mit einer eher groben Motorik durch den Sternenkrieg stolpert.
Die Kritik an Jar Jar Binks ist verständlich. Star Wars-Schöpfer George Lucas hatte den Typus des augenrollenden Simpels der Filmgeschichte entnommen und war damit – so wie seine Figur – gleich in mehrere Fettnäpfchen getreten. Gut gemeint, aber reichlich unsensibel gemacht. Die Kritik an Jar Jar Binks lenkt aber von einer ganz wesentlichen Lesart ab: Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung ist mehr als jeder andere Teil der Saga ein Märchenfilm. Naboo, der Planet, auf dem der Film beginnt, ist selbst eine bis ins letzte Detail ausgeformte Sagenwelt. Der Zuschauer wird hineingeworfen in einen dichten Märchenwald, in eine vom Jugendstil inspirierte Unterwasserwelt und in die Hauptstadt Theed, die wie ein auf Hochglanz poliertes Mittelalter wirkt inklusive eines prächtigen Palasts mit einer Königin und einem Hofstaat in wallenden Gewändern.
Anakin Skywalker und der Zauberer von Oz
Episode I handelt wie jedes Märchen und auch wie die erste Star Wars-Trilogie von der Fahrt des Helden. Ein junger Auserwählter wächst behütet abseits der großen weiten Welt auf, findet seinen weisen Mentor, muss eine erste Prüfung bestehen, erhält dann seine Aufgabe und schart auf seiner Reise eine Reihe von Gefährten um sich, die ihm im Kampf Gut gegen Böse beistehen. Das ist so sehr Ring der Nibelungen wie Herr der Ringe. Der Unterschied ist nur: Die dunkle Bedrohung fällt gar nicht so dunkel aus. George Lucas wählte für den Auftakt seiner Saga einen sehr unbeschwerten, beinahe kindlichen Ton. Es sollte ein optimistischer Abenteuerfilm werden, der zwar das benötigte Personal in Stellung bringt, aber vom Glanz der Alten Republik handelt – bevor es dunkel wird in der Galaxis, vor dem Imperium.
Insofern hat Episode I auch weniger die Züge des Tolkien-Epos oder der bisherigen Star Wars-Filme. Vielmehr bietet sich ein Vergleich mit Frank L. Baums Der Zauberer von Oz an. Hier wie dort wird kein junger Erwachsener, sondern ein Kind auf die Reise geschickt, und es kämpft weniger, als dass es erkundet. Es besucht eine riesige Stadt und erbittet sich Hilfe vom großen Herrscher, nur um abgewiesen zu werden und den großen Konflikt letztlich alleine ausfechten zu müssen. Ob Coruscant nun die Smaragdstadt ist, ob der Kanzler Valorum der Zauberer ist oder die gutmütigen Gungans den gutmütigen Munchkins entsprechen, gewisse Parallelen sind nicht ganz von der Hand zu weisen. Und mit Jedi und Sith gibt es gute Magier und böse Hexen, zumindest gewissermaßen.
Der Zuschauer kann mit auf diese Erkundungsreise durch die riesige Star Wars-Galaxis gehen. Aber einen Kampf von Rebellen gegen ein faschistoides Imperium wird er dort nicht finden. Soll er auch nicht.
Star Wars als politische Fabel
Die dunkle Bedrohung lässt aber noch eine zweite Lesart zu: Sie ist politische Fabel. Oder will es zumindest sein. Es geht los mit der Besteuerung von Handelsrouten durch eine Handelsföderation, was zunächst – zugegeben – wenig abenteuerlich klingt, aber doch einen ganz wesentlichen Zug der Realität spiegelt: Es geht immer nur ums Geld. Der kleine Konflikt auf Naboo deckt die fehlende Handlungsfähigkeit des Galaktischen Senats auf und macht es möglich, dass sich ein Despot wie Palpatine mit falschen Behauptungen und Winkelzügen an die Spitze der Republik mogelt – nur um sie in eine Diktatur zu wandeln. Da weht ein Hauch von Weimarer Republik durch die weit entfernte Galaxis und da ist das Dritte (imperiale) Reich bereits absehbar. Und das nur am Rande: In diesem Punkt erhält Episode I einen erstaunlich aktuellen Bezug.
Die Inspirationen, die Lucas hatte, sind klar erkennbar. Und seine Ambitionen auch. Allerdings stellt er seine Weltraum-Oper damit vor ein mittelgroßes Problem: Episode I wirkt zwischen Märchen und Realismus seltsam zerrissen. Der Film will Eskapismus bieten und macht zugleich den Rückbezug zur Zeitgeschichte auf. Das führt zu erzählerischen Unwuchten, die sich gerade im Mittelteil auf dem Stadtplaneten Coruscant und damit inmitten des politischen Plots bemerkbar machen. Hauptfigur Anakin kann rein gar nichts zur Handlung beitragen und gerät mal kurz aus dem Blick. Die alte Trilogie rund um Luke Skywalker war da deutlich fokussierter. Vielleicht auch deshalb, weil sie in der Zeit des Kalten Kriegs entstanden ist und selbst von klar abgrenzbaren Fronten handelte. Das Prequel dagegen besitzt ein deutlich komplexeres Umfeld.
Zugegeben: dramaturgische Unwuchten
Hinzu gesellen sich einige dramaturgische Schwächen. Lucas hatte im Nachhinein selbst zugegeben, dass Anakin hätte älter sein müssen, um die beginnende Romanze mit Padme glaubhafter zu gestalten. Und die Klonkriege hätten früher beginnen müssen, um den epischen Hintergrund für die Geschichte zu bilden und auch das „Wars“ im Filmtitel zu rechtfertigen. So ist der Film zwar nicht arm an Schauwerten, ganz im Gegenteil: Er erschlägt den Zuschauer förmlich mit seiner visuellen Opulenz. Aber gerade die Schlachtszenen zu Lande und im Weltraum wirken etwas aufgesetzt und solitär, beinahe wie ein Alibi. Schließlich ist der Sternenkrieg zu diesem Zeitpunkt noch ohne richtigen Krieg.
Der Rest ist Lucas pur: Episode I bietet eine große Rennszene, so wie sie auch in seinen bisherigen Filmen THX 1138, American Graffiti und eben Eine neue Hoffnung vorkommen. Und es gibt eine ansonsten auch mal brave Inszenierung mit Szenen, in denen Menschen einfach im Kreis stehen oder um einen Tisch sitzen und miteinander reden – ja, auch das gab es bereits in der Originaltrilogie. Unterm Strich bleibt nach 20 Jahren festzuhalten: Die dunkle Bedrohung zählt vielleicht zu den großen Enttäuschungen der Kinogeschichte, ganz einfach weil sie immense Erwartungen nicht erfüllt und ein etabliertes Universum aus einem anderen Blickwinkel betrachtet hat. Aber sie ist auch das Werk einer Person, die sich nicht von fremden Erwartungen hat irritieren lassen, sondern ihr Ding durchgezogen hat.
In Kürze: Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung ist vielleicht der märchenhafteste Film der gesamten Saga. Der Film leistet ein großartiges Worldbuilding und erweitert den Blick auf den Star Wars-Kosmos deutlich. Allerdings wirkt der Film zwischen Eskapismus und Bezug zum Zeitgeschehen etwas zerrissen und dramaturgisch unrund. Sci-Fi-Fantasy mit Subtext, auf die man sich jedoch einlassen sollte.
Bewertung: 8 / 10
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