Kubo – Der tapfere Samurai sieht ein bisschen schräg aus und dann doch vertraut. Vermutlich weil in der einzigartigen Verpackung eine altbekannte Geschichte wartet. 

Fangen wir mal mit den Ende des Films an. Nämlich mit dem Abspann. Da gibt es eine sogenannte  Midcredit-Scene. Und in dieser kurzen Szene gewährt Kubo – Der tapfere Samurai einen Blick hinter seine eigenen Kulissen. Der Film beziehungsweise seine Macher zeigen dort, wie sie ein großes Filmmonster bauen und animieren. Was uns die Szene sagen soll? „Seht her, das hier ist ein Stop-Motion-Film!“, schreit die Szene förmlich heraus. Und zwar mit Stolz. „Alles echt, alles zum Anfassen, alles unheimlich viel Kleinarbeit!“ Derlei muss man bei Stop-Motion-Projekten heutzutage ja immer dazu sagen, so als wenn es einem Film automatisch Zauber und Seele verleiht. Nun gut, dann hätten wir hiermit den obligatorischen Punkt abgehakt.

Die kleine Angeber-Szene hätte Kubo eigentlich gar nicht nötig gehabt. Der Film entführt seine Zuschauer in ein fantastisches und ebenso fantastisch stilisiertes Japan, das es so natürlich nie gegeben hat. Es ist bevölkert von fliegenden Dämonen, riesenhaften Skeletten, sprechenden Samurai-Käfern, Martial-Arts-Affen und magischen Schwertern. Es geht also in ein fiktives Niemandsland, das anmutet, als würden dort auch gerne Hayao Miyazaki und Tim Burton zusammen Urlaub machen. An optischen Kniffen mangelt es jedenfalls nicht, und Kubo weiß daraus auch seine besondere Stärke zu ziehen. Und der Fairness halber sei gesagt: Ein Teil dieser faszinierenden Szenerie stammt auch aus dem Computer.

Sieht nicht nach Mainstream aus – ist es aber

Kubo selbst ist ein kleiner Junge, der – so kreativ das ganze Drumherum auch ausfällt – die klassische Heldenreise in Reinkultur durchmacht. Aufgewachsen mit einer magischen Begabung fernab der großen weiten Welt, erlebt er seine erste Initiation, wird schließlich ins Abenteuer reingeschubst, trifft Weggefährten und Mentoren, sammelt verzauberte Relikte und wächst innerlich zum Helden heran, bis er endlich dem bösen Obermotz gegenüber steht. Star Wars- und Herr der Ringe-Fans dürften diese Erzählstrukturen im Schlaf herunter rattern können. Inhaltlich verweigert sich Kubo also nicht dem Hollywood-Mainstream, sondern bedient sich vielmehr seiner ältesten Mechanismen.

Kubo – Der tapfere Samurai / Darum geht´s: Kubo ist ein kleiner Junge mit magischen Fähigkeiten. Als er noch ein Baby war, wurde ihm ein Auge von seinem Großvater, dem bösen Mondkönig, genommen. Nun lebt er mit seiner Mutter, die ebenfalls über Zauberkräfte verfügt, beschützt in einer Höhle abseits anderer Menschen. Als Kubo eines Nachts gegen den Rat seiner Mutter nicht in die heimische Höhle zurückkehrt, nehmen die Schergen des Mondkönigs seine Spur auf – Auftakt zu einer abenteuerlichen Reise mit vielen Herausforderungen, auf der Kubo die Wahrheit über seine Herkunft erfährt. 

Ist das nun schlecht? Nö, keineswegs. Erstens hat sich die „Fahrt des Helden“ schon hundert- und tausendfach bewährt – auch wenn der Film etwas braucht, um „in Fahrt“ zu kommen. Und zweitens schöpft Kubo mit großer erzählerischer Freude aus dem Mythologie-Fundus von Ost und West. Dabei präsentiert der Film erfreulicherweise keine hyperaktiven Sidekicks wie weit albernere Vertreter seines Genres. Stattdessen spendiert er auch den Nebenfiguren mit zunehmender Laufzeit ein ordentliches Stück Drama und Tiefe. Sowieso: Das Abenteuer hat hier nichts mit naiver Sabelrasselei zu tun. Die altbekannte Geschichte besitzt vielmehr einen düsteren und melancholischen Grundton. Und – der kleine Spoiler sei an dieser Stelle erlaubt – sie traut sich auch zu, kein wirkliches Happy End zu liefern.

Meta-Ebene mit Musik

Die beinahe schwebende Musik von Dario Marianelli tut ihr Übriges zu der nachdenklichen Grundstimmung bei. Und sie arbeitet die Klänge der traditionellen japanischen Laute, die Kubo ständig wie ein Samurai-Schwert bei sich trägt, gekonnt ein. Apropos: Die Laute spielt in der wohl schönsten Szene des Films eine wichtige Rolle. Da macht Kubo fast schon eine Meta-Ebene auf, indem er mit seinem Instrument einige Origami-Figuren zum Leben erweckt und einem staunenden Publikum von deren Abenteuern erzählt.

In Kürze: Kubo entführt in ein fiktives Japan und fasziniert mit ungewohnt düsterer Optik. Das gibt der altbekannten Geschichte rund um die Reise eines jungen Helden einen erfreulichen neuen Dreh. Dabei nimmt der Film seine Figuren deutlich ernster als andere Animationsfilme.
Bewertung: 8 / 10

Fakten, Fakten, Fakten


Kubo – Der tapfere Samurai wurde vom Animationsstudio Laika verwirklicht, quasi das amerikanische Gegenstück zu den britischen Aardman-Studios (Wallace and Gromit). Laika liefert mit seinen Stop-Motion-Filmen meist etwas „erwachsenere“ Stoffe wie Coraline, The Boxtrolls oder ParaNorman ab. Übrigens: CEO von Laika ist Travis Knight, der mit Kubo sein Regiedebüt abgeliefert hat. Derzeit dreht er das Transformers-Spin-off Bumblebee. Sein Vater ist Phil Knight, der Gründer und Vorstandsvorsitzende von Nike, dem auch Laika gehört.


Zugegeben: Ein bisschen beeindruckend sind die Zahlen zu Kubo – Der tapfere Samurai (oder im Original: Kubo and the two Strings) schon. Zumindest wenn man dem Pressematerial des Animationsstudios Laika Glauben schenken darf. Deshalb kriegt das Stop-Motion-Handwerk doch einen eigenen Kasten spendiert:



  • Die Produktionszeit von Kubo betrug 94 Wochen mit 1,15 Mio. Arbeitsstunden.

  • Die Segelboot-Sequenz verschlang 19 Monate Drehzeit.

  • Kubos Mimik entstand durch 11.007 austauschbare Mundstücke und 4.429 Augenbrauen.

  • Theoretisch macht das 48 Mio. Gesichtsausdrücke. Verwendet wurden aber „nur“ 66.000.

  • Insgesamt wurden 30 Kubo-Puppen benötigt.

  • Die Origami-Figuren im Film verbrauchten 1.050 Blatt Seidenpapier.

  • Groß: Das eingangs erwähnte Monster (ein riesiges Skelett) ist die größte jemals gebaute Stop-Motion-Figur.

  • Klein: Die Origami-Figur Hanzo ist mit 5 Zentimetern „Größe“ die kleinste Figur, die je bei Laika verwendet wurde.

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