Bei schlechtem Wetter jagt man bekanntlich keinen Hund vor die Tür. Disney schon. Den Hund Togo zum Beispiel. Oder auch Wolfsblut. In beiden Filmen kämpfen sich Hunde durch dichtes Schneetreiben. Aber welcher Film ist besser?
Der perfekte Filmheld – welche Eigenschaften mag der wohl haben? Ganz klar, er sollte schlau und aufgeweckt sein. Er sollte freundlich und immer gut gelaunt sein. Fest entschlossen, wenn es drauf ankommt. Wagemutig, dabei treu und loyal. Das Herz am rechten Fleck. Gut gebaut, aber nach Möglichkeit auch süß. Und er sollte stubenrein sein. Mit anderen Worten: Der perfekte Filmheld ist ein Hund! Nicht zwingend Goofy, vielleicht auch nicht unbedingt Huutsch oder Beethoven, aber so eine Mischung aus Lassie, Benji und Balto wäre doch eigentlich ganz schick, oder? Vielleicht noch mit einem Quentchen Hachiko und Marley, damit es was fürs Herz gibt. Denn wir alle wissen: Der beste Freund des Menschen, das ist der Hund. Und der beste Freund des Filmproduzenten, das ist auch der Hund.
Der Hundefilm stellt inzwischen ein eigenes Genre dar. In regelmäßigen Abständen findet ein aufrechter Held mit aufrechter Rute den Weg ins Kino, legt Bösewichtern das Handwerk, macht Kinder froh und Erwachsene ebenso. So weit, so bekannt. Wenn man nun aber genau hinschaut, dann hat das Genre des Hundefilms noch ein Untergenre: Gemeint ist der Hund-im-Schnee-Film. Da geht es meist ums Miteinander von Mensch und Tier vor historischer Kulisse. Zum Beispiel solch eine Kulisse, in der Schlittenhunde vorkommen. Vorzugsweise spielt solch ein Hund-im-Schnee-Film in Kanada oder Alaska, schließlich hatte und hat es da die schönsten und besten und nicht zuletzt bekanntesten Hunde, die wahlweise einen Schlitten ziehen oder ihre Herrchen vor Natur und wilden Viechern retten durften.
Hund + Schnee + Disney
Disney kommt besonders gerne auf den Hund. Das Studio ist seit Anbeginn seiner Zeit ziemlich gut darin, Tiere zu Hauptdarstellern zu machen – und der Hund als solcher hat da einen festen Platz auf der Castingliste. Nun bin ich kürzlich in schneller Folge nicht über einen, nicht über zwei, sondern über drei Filme gestolpert, die auch gleich drei Kriterien erfüllen: 1. Sie sind Disney-Filme. 2. Sie sind Hundefilme. Und 3. Sie sind Hunde-im-Schnee-Filme. Den Auftakt machte bekanntlich Iron Will – Der Wille zum Sieg mit dem starken Score von Joel McNeely. Doch dabei wollte ich es nicht belassen. Während das Wetter draußen auf Sommer und Sonne umschaltet, habe ich es im Heimkino schneien und stürmen lassen. Nämlich mit Wolfsblut, der Disney-Verfilmung von 1991, und Togo, der Produktion für Disney+ aus dem vergangenen Jahr.
Was liegt also näher, als Hunde und Filme mal gegeneinander laufen zu lassen? In beiden Fällen – Wolfsblut und Togo – führt ein Vierbeiner den Cast an. Aber welche Formel geht besser auf? Erfahrungsgemäß sind die alten Filme doch immer die besseren. Oder…?
Die Geschichten
Wolfsblut: Der junge Jack (London?) reist 1898 aus der Stadt nach Alaska an den Klondike und trifft dort… Nein, nicht Dagobert Duck, sondern zuerst seinen künftigen Wegbegleiter Alex und später den Wolf-Hund-Mischling Wolfsblut, im Original: White Fang. Bis Wolf und Herrchen aber endgültig zusammenfinden und sogar noch mit etwas Gold belohnt werden, müssen sie jeder für sich einige Fährnisse bestehen. Der Leser ahnt: Das gleichnamige Buch von Jack London wird hier sehr frei adaptiert, denn dort stand klar der Wolf im Vordergrund und nicht neben dem Menschen.
Togo: Der Schlittenhundeführer Leonhard Seppala zieht den widerspenstigen Sibirischen Husky Togo auf, den er nach einem japanischen Admiral benennt. Nach einigem Hin und Her wird das aufgeweckte Knuddelchen Seppalas bester Leithund im Gespann. Im Jahr 1925 muss das Duo zu großer Form auflaufen. Denn in Nome, Alaska, bricht die Diphterie aus, und irgendwie muss die dringend benötigte Medizin durch das dichteste Schneetreiben transportiert werden. Wo die neumodischen Flugzeuge versagen, da ist es an den Schlittenhunden und ihren Führern.
Die Tiere
Wolfsblut: Der Kämpfer – Wolfsblut kann schon ganz ordentlich die Zähne blecken. Ob ihm nun ein Bär gegenübersteht oder ein Kampfhund in der Hinterhof-Arena, der Gute fackelt nicht lange. Dabei tollt er anfangs noch ganz niedlich als Welpe durch die raue Natur. Aber die Welt ist halt hart und die Menschen, denen er begegnet, sind härter. Da muss man sich durchbeißen. Übrigens: Wolfsblut heißt eigentlich Jed, ist tatsächlich eine Mischung aus Wolf und Alaskan Malamute und im Showbiz ein alter Hase, äh, Wolf. So hatte er schon tragende Rollen in John Carpenters The Thing und in Disneys Die Abenteuer der Natty Gann. Bart, der Bär, aus Der Bär taucht auch auf.
Togo: Der Anhängliche – Togo ist ein lebendig gewordenes Zotteltier. Als Welpe verfügt der Vierbeiner bereits über einen stark erhöhten Zuckergehalt. Kein Wunder, dass ihm sein Herrchen nicht dauerhaft böse sein kann, wenn Togo mal wieder den Haushalt auf den Kopf stellt. Später aber weiß er sich zu bewähren und hat nicht nur die Haupt-, sondern auch die Leithund-Rolle vor dem Schlitten. Und das macht er alles nur, wie man erfährt, für seinen Leitmenschen. Haaach! Togo heißt übrigens Diesel und ist wirklich ein Sibirischer Husky. Und wie es sich für jeden Star gehört, hatte er bei den Dreharbeiten auch zwei Stunt-Hunde namens Hugo und Mackey.
Die Menschen
Wolfsblut: Die Diven – Ethan Hawke und Klaus Maria Brandauer waren vor 30 Jahren wohl so etwas wie „der heiße Scheiß“ in Hollywood. Jungstar Hawke hatte gerade im oscarprämierten Club der toten Dichter reüssiert, Brandauer hatte mit Mephisto, Oberst Redl, Hanussen und mit Jenseits von Afrika einen oscarprämierten und auch einträglichen Lauf hinter sich. Doch gute Schauspieler müssen nicht zwingend miteinander harmonieren. Hawke spielt gut, Brandauer spielt gut, aber beide spielen in ihren Szenen eher aneinander vorbei als miteinander. Dass ihr Handlungsstrang dann immer wieder vom Hunde-Handlungsstrang durchbrochen wird, macht das Ganze nicht unbedingt besser. Solide ist das aber allemal.
Togo: Der Arbeiter – Willem Dafoe hat ein Gesicht wie ein Totenschädel. Und trotzdem muss man diesen Charakterkopf einfach gernhaben. Dafoe kann eigentlich alles spielen, selbst die Leidensgeschichte einer einbeinigen Primaballerina im rosa Tutu würde man ihm abnehmen. Hier spielt er die reale Figur des Leonhard Seppala, und als solcher ist er pragmatisch-brillant. Es gibt keine schauspielerischen Mätzchen, jeder Satz sitzt, jede Mimik ist auf den Punkt, das passt einfach. Die Interaktion mit seiner Filmehefrau Julianne Nicholson ist glaubwürdig pragmatisch-liebevoll. Und das Verhältnis zu seinen Filmhunden ist pragmatisch-fürsorglich. Bestes Beispiel dafür, dass eine überzeugende Darstellung nicht „laut“ sein muss.
Der Disney-Faktor
Wolfsblut: Hoch. Es ist ja nun nicht so, dass der Film nicht um eindrucksvolle Bilder vom Goldrausch in Alaska bemüht ist, ganz im Gegenteil. Aber dazwischen verirren sich halt immer wieder Sequenzen insbesondere mit dem kleinen Wolf, der durch die Natur tollt und sogar seinen persönlichen Bambi-Moment erleben darf, nämlich wenn die Mama stirbt. Der Disney-Faktor gilt übrigens auch für die Menschen. Denn so böse die Bösewichte auch rüberkommen wollen, allen voran James Remar, im Endeffekt sind die harmlos und wollen auch nur spielen.
Togo: Mittel. Es ist ja nun nicht so, dass der kleine Togo zu Anfang nicht allein mit seinem aufgeweckten Blick Steine – und damit auch Willem Dafoe – erweichen könnte. Und dann darf der kleine Ruffel noch eine niedliche Parcours-Sequenz in einem Schuppen absolvieren, bei dem halt so kaputtgeht, was kaputtgehen kann. Aber im Vordergrund steht doch die eigentliche Herausforderung in der Geschichte, und die ist nicht immer gutelaunig, sondern auch mal recht hart und melancholisch. Will sagen: Der Ton ist ein anderer als beim Kollegen aus den 90ern.
Der Gewaltlevel
Wolfsblut: Das ist ein Disney-Film. Punkt. Noch Fragen? Na gut, nur so viel: Gerade in seinem zweiten Lebensabschnitt macht Wolfsblut ruppige Erfahrungen. Aber das geht doch recht blutarm über die Bühne. Und so manche Gewaltszene etwa beim Hundekampf geht in schnell geschnittenen Großaufnahmen unter.
Togo: Das ist ein Disney-Film. Punkt. Noch Fragen? Ok, vielleicht noch das: Die Geschichte handelt zwar von einer lebensgefährlichen Herausforderung. Aber die hat wenig mit physischer Gewalt zu tun. Insofern gibt es mehr Schneegestöber als Geraufe. Doch das ist immerhin sehr ansehnlich geraten.
Der Kälte- und Schneefaktor
Wolfsblut: Hoch. Brrr… Allein die Szene, in der Ethan Hawke im Eis einbricht und im Wasser landet. Prompt läuft der Gute auch blau an. Insgesamt gibt es aber ein paar schöne Impressionen aus dem kalten Alaska. Darunter auch die sogenannte „Goldene Treppe“ (siehe unten), ein beschwerlicher Pfad mitten im Schnee, der entfernt Assoziationen mit der großen Mauer aus Game of Thrones weckt. Wolfsblut selbst kommt mit der Witterung übrigens erstaunlich gut zurecht, Fell sei Dank.
Togo: Hoch. Das ist eigentlich selbsterklärend, immerhin geht es darum, sich durch einen Schneesturm zu kämpfen. Und was für einen! Der ist zwar computeranimiert, was bei einigen sensiblen Zuschauern Abzüge in der B-Note provozieren dürfte. Aber insgesamt sieht das schon schick aus. Und lässt auch wenig Raum für Verschnaufpausen am Feuer. Stattdessen gibt es noch eine recht beeindruckende Fahrt auf dem Eis in einem zugefrorenen Sund.
Die Erzählstruktur
Wolfsblut: Was hat alle Welt nur mit Parallelmontagen? Wolfsblut besitzt zwei Handlungsstränge, die gleichwertig nebeneinander verlaufen und schließlich zueinander finden. Die eine zeigt Wolfsbluts Heranwachsen in der Natur, die andere Jacks „Mannwerdung“ in Alaska. Das bringt zwei Probleme mit sich: Zum einen wirkt die Handlung unnötig langgezogen, zum anderen passen die beiden Teile nicht immer zusammen, etwa wenn das niedliche Herumtollen des Welpen Wolfsblut den Abenteuern von Jack gegenüberstehen.
Togo: Was hat alle Welt nur mit Flashbacks? Togo hat eigentlich eine recht lineare Geschichte: Hundegespann kämpft sich durch Schneesturm. Damit das Ganze noch etwas mit Background und Emotionen aufgeladen wird, gibt es immer wieder Rückblicke in Togos „Kindheit“ – erzählt durch die Erinnerungen seines Herrchens Leonhard Seppala. Flashbacks können manchmal mächtig in die Hose gehen, wenn sie eine Handlung ausbremsen. Doch hier gelingt der Kniff: Beide Erzählstränge bleiben interessant und ergänzen sich sehr gut.
Die Historie und der Lernfaktor
Wolfsblut: Jein. Zunächst mal: Das Buch von Jack London kam 1906 heraus und verarbeitete die Erfahrungen, die Jack London 1897 selbst als Goldgräber am Klondike gemacht hatte. Einige Motive finden sich auch im Film, etwa die Schlittenhundeführer oder die genannte „Goldene Treppe“ am Chilkoot Pass zwischen Alaska und British Columbia. London hat mit Wolfsblut aber nicht nur eine Abenteuergeschichte geschrieben, sondern verarbeitete dort seine eigene von Sozialismus und Darwinismus geprägte Weltsicht. Als Gegenentwurf zu seinem Roman Ruf der Wildnis beschreibt er, wie ein wildes Tier im Sinne der Evolution domestiziert wird und sich in die Menschenwelt einfügt. In der Zivilisation wird der Mischling zum Hund, in der Wildnis wäre er zum Wolf geworden. Der Film stellt dieser Entwicklung die Geschichte seiner menschlichen Protagonisten gleichwertig gegenüber, vermutlich als kleine Hommage an Jack London selbst, der in der von Ethan Hawke gespielten Hauptfigur zu erkennen ist. Zudem dreht der Film das Roman-Ende um: Im Buch lebt sich Wolfsblut mit seinem Herrn in Kalifornien ein, im Film bleiben beide in Alaska und leben dort vermutlich glücklich bis ans Ende ihrer Tage.
Togo: Heureka! War das schon in der Breite bekannt? Ich kannte es nicht, nämlich die wahre Geschichte des heldenhaften Togo – nur die des vermeintlich heldenhaften Balto, die bereits verfilmt worden war. Und die geht so: Im Winter 1925 bricht in der Stadt Nome in Alaska eine Diphterieepidemie aus. Aufgrund der Witterung sind Hundeschlitten die einzige Möglichkeit, die benötigte Medizin vom mehr als 1.000 Kilometer entfernten Nenana nach Nome zu bringen. Insgesamt 20 Hundeschlittenführern gelang es bei dichtestem Schneesturm und mehr als minus 30 Grad Celsius, die Aufgabe in einem Staffellauf zu lösen, was als „Serumrennen von Nome“ in die Geschichte einging. Der große Verdienst wurde damals dem Hundegespann der letzten Staffel bis Nome zugeschrieben und damit dem Leithund Balto und seinem Führer Gunnar Kaasen. Dabei legten beide „nur“ eine Teilstrecke von knapp 100 Kilometern zurück. Das mit Abstand längste Teilstück von 420 Kilometern bewältigten aber Leonhard Seppala und sein Leithund Togo. Darunter auch eine besonders gefährliche Strecke über den zugefrorenen Norton Sund sowie 1.500 Höhenmeter. Der Film hält sich relativ nah an die wahre Geschichte.
Die Musik
Wolfsblut: Kuriose Nummer: Hans Zimmer war Anfang der 90er auch so etwas wie „der heiße Scheiß“ in Hollywood. Mit Rain Man, Driving Miss Daisy und Thelma & Louise hatte er zuvor aufhorchen lassen. Für Wolfsblut zimmerte (höhö) er einen Score mit der für ihn bekannten Mischung aus Orchester und Elektronik. Der Sound passte aber nicht so recht zum Natur-Abenteuer, so dass parallel der Veteran Basil Poledouris beauftragt wurde, der deutlich traditioneller an die Aufgabe ging. Im Film sind Elemente beider Scores zu hören, etwa Poledouris‘ episches Hauptthema und Zimmers aggressivere Klänge in den Actionszenen. Kurioserweise erinnert Zimmers Musik stellenweise an seine kurz zuvor entstandene Musik für Ridley Scotts Black Rain. Ich muss sagen: Die Elekronik-Elemente passen wirklich nicht so gut in den Film.
Togo: Zuverlässige Nummer: Mark Isham ist ein Veteran in der Filmmusik-Branche. Wenn ich den Mann mit einem Adjektiv belegen müssten, dann würde ich vielleicht das Wort „solide“ wählen. Soll heißen: Die Musik passt immer ganz gut zum Film, aber so recht will auch nichts hängenbleiben. Wenn man nun aber mal genauer hinschaut, dann bekommen Hundefilme so langsam Tradition in Ishams Schaffen, darunter der Schlittenhundefilm Eight Below (siehe unten) sowie Megan Leavey, A Dog’s Journey, A Dolphin’s Tale… äh… Na, jedenfalls liefert er bei Togo auch zuverlässig ab mit einem leicht melancholischen Klangteppich. Beim gefühligen Finale konnte es sich der Regisseur ab nicht verkneifen, Max Richters noch melancholischeres On the Nature of Daylight einzubauen, bekannt aus Shutter Island und Arrival.
Mensch-Tier-Dynamik
Wolfsblut: Gucken, knuddeln, ruffeln – viel mehr fällt Ethan Hawke nicht ein, was er so mit seinem Hund / Wolf anfangen kann. Das Glück der beiden naturgestählten Helden scheint darin zu bestehen, sich spielerisch miteinander auf dem Boden zu wälzen. Wenn man so will, haben wir hier einen tierischen Vorläufer zu Brokeback Mountain. Die eingeschränkte Interaktion liegt aber auch in der Natur der Sache, da die beiden Hauptdarsteller gemäß Drehbuch erst im letzten Filmviertel so richtig zusammenkommen.
Togo: Fordern, fördern, loben – Willem Dafoe verlangt seinen Hunden auf der Strecke einiges ab. Er weiß aber auch, was er an ihnen hat. Sieht er die Vierbeiner anfangs nur als „Werkzeug“, lobt er seine Tiere immer wieder als „gute Hunde“ und macht sich sichtlich Sorgen um Leithund Togo. Ähnlich freundlich ist er auch zu anderen Menschen. Das wirkt zunächst für den Film stilisiert. Doch wenn man liest, dass der echte Seppala für seine humane Tierhaltung bekannt war, bekommt das alles umso mehr Gewicht.
Die Hund-springt-durch-geschlossenes-Fenster-Szene
Wolfsblut: Ja, vorhanden. Übrigens war die Szene auch im Buch von Jack London enthalten.
Togo: Ja, vorhanden. Der Sprung des echten Togo durchs Fenster ist übrigens historisch belegt.
Der Tränenfaktor
Wolfsblut: Geht so. Die Geschichte von Jack ist eine reine Abenteuergeschichte. Und die Geschichte von Wolfsblut hat auch nicht viele traurige, eher brutale Momente. Aber wie gesagt: Wolfsbluts Mama stirbt. Und am Ende gibt’s eine leicht aufgesetzte Fast-Trennung, das muss reichen.
Togo: Aber hallo! Wenn man die Geschichte nicht kennt, bleibt lange unklar, ob der 12-jährige Togo das harte Rennen unversehrt übersteht. Und dann das Ende mit der „Liebeserklärung“ von Hund und Herrchen, dazu die Musik – da möchte man mit den Wölfen heulen.
Surprise! Surprise!
Ich glaube, es ist ein bisschen klar geworden, in welche Richtung meine Präferenz läuft. Wolfsblut ist zwar als Film wie als Buch ein Begriff und als solcher auch ein Klassiker. Der Film kann unter der Regie von Randal „Die blaue Lagune“ Kleider zweifellos mit tollen Landschaftsaufnahmen und einer ebenso tollen Musik von Basil Poledouris punkten und verströmt altmodisches Abenteuer-Flair. Allein dafür lohnt das Anschauen. Allerdings wirkt die Geschichte unnötig in die Länge gezogen und dafür erstaunlich oberflächlich. Entweder hatte man sich damals nicht getraut, einen reinen Tierfilm zu drehen, oder man wollte unbedingt ein paar Stars für ein besseres Box-Office-Ergebnis unterbringen. Wie auch immer: unterhaltsam, aber nicht perfekt.
Togo dagegen ist ein bisschen als Underdog (höhö) ins Rennen (höhö) gegangen und hat auf ganzer Linie überrascht. Positiv natürlich. Das beginnt beim Regisseur Ericson Core, der zuvor das überflüssig-hippe Remake von Point Break gedreht hatte. Und das geht weiter mit einer dichten und packenden Geschichte, in der so gut wie alles passt. Der Film gewinnt sogar nochmals dadurch, dass er seine geschichtliche Vorlage nicht sonderlich verfälscht. Das betrifft sogar die Schlittenfahrt über den zugefrorenen Sund, der im Film zwar dramatisiert dargestellt wird, aber letztlich wirklich stattgefunden hat. Schade, dass der Streifen als Streaming-Premiere auf Disney+ eher still gestartet ist, während die aktuelle Verfilmung von Jack Londons Ruf der Wildnis immerhin einen Kino-Start spendiert bekam.
So oder so: Beide Filme lohnen die Sichtung und laden zu einem kleinen Trip in den Schnee. Doch die neue Produktion führt gegenüber dem „Klassiker“ ausnahmsweise mal locker mit einer Hunde-Länge.
In Kürze: Wolfsblut: Recht freie filmische Adaption des Abenteuer-Klassikers von Jack London, die es gut meint, aber nicht durchweg gut macht. Die Landschaftsaufnahmen sind toll, die Musik auch. Aber irgendwie fehlt der Story der letzte Pfiff – und ein bisschen knackiger hätte die auch inszeniert sein dürfen. – 7 / 10 Togo: Hunde-Herschmerz mit Lerneffekt. Der Film erzählt die Geschichte des historischen Serum-Rennens von Nome und stellt dem Medien-Hundeheld Balto den echten Helden Togo gegenüber. Mal humorige, mal melancholische Töne sorgen letztlich für den richtigen emotionalen Unterbau. – 9 / 10
Bonus-Track: Antarctica – Gefangen im Eis
Einen haben wir noch, einen haben wir noch… Wenn man sich schon bei eitel Sonnenschein so viele Hunde-im-Schnee-Filme anschaut, kommt man irgendwie auf den Geschmack. Deshalb schloss sich an die Sichtung von Togo und Wolfsblut auch gleich noch der Film Eight Below an. Im Deutschen hat er den begnadet genialen Titel Antarctica – Gefangen im Eis…
Eins kann man Antarctica nicht vorwerfen: nämlich dass er als Hundefilm seine Hunde nicht ausreichend in den Mittelpunkt stellt. Die eigentliche Story besteht schließlich darin, die acht aufgeweckten Vierbeiner bei ihren „Abenteuern“ im antarktischen Winter zu zeigen. Und das muss man ganz neidlos anerkennen: Wer eine Schwäche für Hunde im Allgemeinen und für die vorgestellten Hunderassen (Sibirische Huskies und Alaskan Malamutes) im Speziellen hegt, der bekommt hier die volle Packung. Die Tiere sehen toll aus, sind toll trainiert und liefern vor der eisigen Kulisse einfach tolle Bilder. Sowieso, Regisseur Frank Marshall, der auch den ungleich härteren Überlebenskampf in Alive verfilmt hatte, kennt sich mit dem frostigen Drumherum gut genug aus, um wunderschöne Impressionen vom Südpol zu liefern.
Antarctica wäre aber kein Disney-Film, wenn der Überlebenskampf der Wuffis nicht einen gewissen Niedlichkeitsfaktor hätte. Jeder Hund bekommt seinen eigenen Charakter, was auch durchaus sinnvoll ist, damit der geneigte Zuschauer mit den tierischen Hauptdarstellern mitfiebern kann. Allerdings werden die Vierbeiner damit auch ein Stück weit vermenschlicht. Ob die Tiere – auf sich allein gestellt – wirklich so interagieren wie im Film, sei mal dahingestellt. Es wirkt jedenfalls ein bisschen so wie bei Pets oder Toy Story, wenn die Hunde in Gegenwart der Menschen eben Hunde sind, bei Abwesenheit ihrer Herrchen aber plötzlich eine gewisse „menschliche“ Intelligenz entwickeln. Zum Disney-Faktor gehört vielleicht auch noch, dass hier – Achtung, Spoiler!“ – nur zwei Hunde sterben. Bei der japanischen Expedition von 1958, die Pate stand für die Geschichte (1983 verfilmt als Taro und Jiro in der Antarktis), überlebten von zwölf Hunden lediglich zwei.
Die Parallelhandlung zu den Abenteuern in der Antarktis gehört den Menschen. Und die Story vom Hundeführer, der zurück ins Eis will, um seine Hunde zu retten, ist nicht gerade innovativ und flott erzählt. Aber: Marshall versammelt mit Paul Walker (R.I.P.), Bruce Greenwood, Moon Bloodgood und Jason Biggs ein paar grundsympathische Gesichter vor der Kamera, denen man gerne folgt. Und wobei man gerne vergisst, dass Walker hier „nur“ einen klassischen All-American-Abenteurer spielt. Die Mischung macht es: Eight Below hätte auf seine Gesamtspielzeit etwas knackiger erzählt sein dürfen, und es mangelt etwas an Überraschungen. Aber der Anfang ist ziemlich spannend geraten, das Szenario fesselt schon per se, und Hunde wie Menschen sorgen für einen gewissen Wohlfühlfaktor. Warum also meckern, das reicht auch so mal für abenteuerliche… 8 / 10