Donnerwetter, jetzt geht es aber Schlag auf Schlag: Gerade erst hat Seth MacFarlane ins Mikro gesäuselt, da sattelt Kiefer Sutherland sein Pferd und macht einen auf singender Cowboy. Willkommen also zum nächsten Teil der Schauspieler-als-Musiker-Serie…
Neulich vor dem CD-Player (ja, so etwas habe ich noch): Ich lege die neue Scheibe von Kiefer Sutherland ein, drücke auf Play, nehme die ersten Töne zur Kenntnis und denke wohlwollend: Klingt gut, passt wohl. Dann drehe ich mich um, die Musik läuft nebenbei durch. Nach 39 Minuten ist der letzte Song des Albums Reckless & Me verklungen, und ich denke überrascht: Huch, war was? Da ist so spontan nichts hängen geblieben und hat auch nichts aufhorchen lassen, weder im positiven wie im negativen Sinne. Ok, das mag vielleicht etwas unfair sein, aber es gibt schließlich auch Werke, die aus sich heraus Aufmerksamkeit erregen und ein paar Höhepunkte setzen. Also geht Kiefer noch mal auf Rotation. Und noch mal. Und noch mal, bis die Songs einigermaßen im Gehörgang Halt finden.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Kiefer Sutherland bietet bei seinem zweiten Ausflug ins Musik-Business grundsoliden Country-Rock. Das klingt alles erdig und ehrlich, ist makellos eingespielt und bietet ein gutes Fundament für die von Schnaps und Zigaretten angeraute Stimme des Musikers. Und das muss man Kiefer Sutherland wirklich lassen: Sein Organ ist für das Genre gemacht. Bereits auf seinem ersten Album Down in the Hole vor drei Jahren lautete ein Song „Not enough Whiskey“ und wirkte damit ein wenig wie das Motto für die künftige Musikkarriere des Schauspielers. Diesen Weg geht er auf Reckless & Me auch konsequent weiter und kommt dabei sehr authentisch rüber als moderner Cowboy. Allerdings ist die ganze Sache auch ein bisschen gefällig geraten.
Persönliches zum Grooven und Schunkeln
Die Scheibe dreht noch einige Runden mehr, während ich nach Ecken und Kanten suche. Dabei fallen mir ein paar Sachen auf, die bemerkenswert sind. Zum einen ist innerhalb von Sutherlands kleinem Country-Kosmos durchaus Abwechslung vertreten. Es wirkt ein wenig so, als wolle das Album jedem Americana-Fan etwas bieten. Der Eröffnungssong „Open Road“ etwa ist eine hübsche Country-Hymne mit Einsprengseln von Steel Guitar und Klavier. „Faded Pair of Blue Jeans“ klingt weniger wie ein Country-, als vielmehr wie ein beschwingter Popsong. „Blame it on your Heart“ bringt Boogie-Woogie ins Spiel. „This is how it´s done“ macht mit seinem Hillbilly-Rhythmus Spaß. „Agave“ schielt ein bisschen in Richtung Mexiko. Und „Run to him“ ist ein sehr lässiger Rocker. „Something you love“ klingt übrigens frappierend wie ein Song von Kevin Costner (ja, noch so einer, aber dazu ein andermal).
Zum anderen wird der 52-jährige Sutherland auf dem Album auch ein bisschen persönlich. Das fängt schon beim Titel an: Reckless & Me hieß ein Pferd, das er beim Rodeo geritten hatte. Doch mehr noch: In der Ballade „Saskatchewan“ wird es arg gefühlig, ja, geradezu schunkelig, denn da besingt Sutherland die kanadische Provinz, aus der seine Großeltern stammten (mütterlicherseits: Der Vater seiner Mutter Shirley Douglas war der Premierminister von Saskatchewan). Und in „Song of a Daughter“ singt Sutherland – nomen est omen – über das Heranwachsen seiner Tochter Sarah (die mit ihren 31 Jahren inzwischen selbst als Schauspielerin tätig ist, in der Serie Veep etwa). Ansonsten wird in den Texten das übliche Country-Repertoire abgespult, von der Einsamkeit des Truckers über das Betrogenwerden bis zu den Lebensweisheiten, die man nachts in Bars lernen kann.
Auf der Straße macht es „klick“
Zwischenzeitlich ist die Scheibe übrigens – wieder ganz unmerklich – gewachsen: Ich habe sie mit ins Auto genommen, wo sie beharrlich ihre Runden gedreht hat. Und da hat es doch endlich noch „klick“ gemacht. Auf dem urdeutschen Highway kommt das Southern Rock-Feeling doch ganz gut. So mancher Groove macht die Fahrt etwas kurzweiliger. Und die Refrains sind endlich im Ohr angekommen. Das alles ist noch immer gefälliger Wohlklang mit Schunkelfaktor, und es hat auch etwas gedauert, aber letztlich hat mich der Kiefer doch noch ins wohlig-sonnige Country-Reich entführt. Ist doch auch was…
Moooment mal! Das ist doch bekannt! Gleich die erste Single „Open Road“ auf Reckless & Me klingt nicht neu. Tatsächlich: Zu hören war das Ding auf dem Album Start the Car von Jude Cole aus dem Jahre 1992. Und siehe da: Jude Cole hat Sutherlands bisherige Alben produziert und wird bei fast allen Tracks als Songwriter gelistet. Da hat der Gute wohl einfach mal ein altes Stück recycelt. Doch mehr noch: Cole hatte bereits 2003 mit Sutherland ein eigenes Studio namens Ironworks Records gegründet. Wer den Mann nicht kennt: Cole wäre Ende der 1980er beinahe ein festes Mitglied bei Tom Pettys Band The Heartbreakers geworden, konzentrierte sich dann aber lieber auf seine Solo-Karriere und veröffentlichte bis heute sechs Alben. Nebenbei tat er sich als Produzent hervor, u.a. der erfolgreichen Band Lifehouse. Auf besagtem Start the Car arbeitete er mit Steve und Jeff Porcaro, Jim Keltner, David Paich sowie Filmkomponist James Newton Howard zusammen. Verheiratet ist er mit Michelle Pfeiffers kleiner Schwester Lori.
In Kürze: Kiefer Sutherland macht im Country-Rock eine gute Figur. Seine angeraute Stimme passt jedenfalls ideal ins erdig-bodenständige Musik-Genre. Allerdings hätte sein Album Reckless & Me ein paar Ecken und Kanten mehr gut gebrauchen können. Die Songs haben durchaus Ohrwurm-Qualitäten, doch sie brauchen etwas, bis sie sich auch tatsächlich festsetzen.
Bewertung: 6 / 10 (mit Sonnenschein-Bonus 6,5 / 10)