Da ist aber jemand sauer… Southern Rocker Will Hoge gibt sich nicht zum ersten Mal politisch. Aber nun scheint ihm der Kragen geplatzt zu sein…
Jetzt kann man mal raten, wer gemeint ist: Da ist jemand, der sich nicht um die gemeine Bevölkerung kümmert, also um die Leute, die zwei Jobs haben, um ihre Familie zu ernähren. Dabei hat sich dieser Jemand so gut darin gefallen, den Leuten Versprechungen zu machen. Doch stattdessen sitzt er nur auf dem, was sein Vater ihm hinterlassen hat, und lebt innerhalb von glänzenden, vergoldeten Wänden. Na, klingelt es da ein bisschen? Die Geschichte geht aber noch weiter und wird noch deutlicher: Da sterben wieder einige Kids an einer Highschool, da marschieren Menschen durch die Straßen, doch der Angesprochene treibt sich nur auf seinem Golfplatz herum und postet online irgendwelchen Blödsinn.
„Well another group of kids in high schools dead.
But you´re still at your golf course teeing off at nine.
People marching in the streets trying to find a little peace.
You sit around spouting more bullshit online.“
– Will Hoge – „Gilded Walls“
Zugegeben, dezent ist das nicht gerade. Ganz im Gegenteil. Will Hoge ist sauer, und zwar mächtig. Auf seinem neuen Album „My American Dream“ lässt er es ordentlich rauchen – und rechnet mit einem Amerika ab, in dem so einiges schief läuft. Unter Trump. Hoge hat gerade mal ein knappes Jahr seit seinem letzten Album „Anchors“ gewartet, das deutlich persönlicher und ruhiger ausgefallen war, doch in der Zwischenzeit scheint ihm der Kragen geplatzt zu sein. Nicht zum ersten Mal: Der Southern Rocker aus der Nähe von Nashville hat sich bereits auf seiner „America EP“ und „Modern American Protest Music“ kritisch mit den Vereinigten Staaten auseinandergesetzt. Und war damit in guter Gesellschaft, schließlich ist das – abseits der eher konservativen Country-Szene – das Terrain eines Bruce Springsteen und John Mellencamp, eines Bob Dylan, Steve Earle oder Neil Young.
Die Huren der Waffenlobby
Der erste Song, den Hoge für sein neues Album geschrieben hat, heißt „Thoughts & Prayers“. Da teilt er gegen die Politiker aus, die nur „Huren der NRA“ seien, also der National Rifle Association. Und er hofft, dass sie an dem Tag, an dem sie vor ihren Schöpfer treten, direkt in die Hölle fahren. Will Hoge verteilt aber nicht nur vertonte Schläge in die Fresse. Im Song „Illegal Line“ beschäftigt er sich vielmehr mit der Perspektive der mexikanischen Auswanderer, deren Traum eines besseren Lebens an immer strengeren Grenzkontrollen scheitert. Auch selbstkritisch geht Hoge zu Werk: In „Still a Southern Man“ reflektiert er seine eigene Herkunft in einer kleinen Stadt in Tennessee: Als Jugendlicher hatte er da noch die Südstaatenflagge zu Highschool-Spielen mitgebracht, ohne darüber nachzudenken, dass es auch das Banner des Ku-Klux-Klans ist.
But I´m still a southern man.
I don´t want your stars and bars.
And your blood on my damn hands.
I´m looking away now Dixie.
Cause I´ve seen all I can stand.
But I´m still a southern man.
– Will Hoge – „Still a Southern Man“
Die Musik steht den wütenden und düsteren Texten in nichts nach. Will Hoge bleibt sich zwar treu und liefert Southern Rock mit einem besonderen Händchen für tolle Hooklines. Nur dieses Mal geht irgendwie die Sonne nicht so recht auf im Süden. „Gilded Walls“ kommt schwer und stampfend anmarschiert. „Stupid Kids“ drückt dann etwas mehr aufs Gas und rockt gut vorwärts. „Oh Mr. Barnum“ zeigt einmal mehr Hoges Qualitäten bei catchy Mid-Tempo-Nummern. Bei „Thougts & Prayers“ greift der Sänger zur Akustikgitarre und gibt sich nachdenklich, wenn auch unversöhnlich. Und das augenzwinkernde „Nikki´s a Republican now“ klingt ordentlich nach Garage und erinnert an den leicht punkigen Einschlag der frühen Hoge-Alben. Das ist vom „Alles supidupi“-Mainstream-Country so weit weg wie nur möglich. Aber es hat ordentlich Drive, ist eingängig, mit den nötigen Ecken und Kanten – wenn man sich an der politischen Botschaft nicht stört.
Aufrüttelnd oder nervend?
Abschließend muss man vielleicht noch festhalten, dass wütende Sänger auch gerne mal zu Rufern in der Wüste werden. Denn anklagende politische Musik, auch wenn sie gut ins Ohr geht, ist nicht jedermanns Sache – erst recht nicht Sache der „Gegenseite“. So ehrenwert das Ansinnen von Will Hoge vor allem für wenig konservative Außenstehende auch erscheint, knapp die Hälfte der Amerikaner steht unverändert hinter ihrem Präsidenten. Das haben unlängst erst die Midterm-Wahlen gezeigt. Insofern müsste man auch darüber nachdenken, ob es mit rein anklagenden Werken getan ist oder ob ein Künstler vielmehr auf Vermittlung zwischen den Lagern setzen sollte – sofern das nach den Ausschreitungen von Charlottesville überhaupt noch möglich ist. Doch der musikalischen Qualität von Hoges neuem Album tut das keinen Abbruch.
In Kürze: Will Hoge gibt sich auf seinem neuen Album My American Dream wütend und kämpferisch und rechnet offen ab mit einem Amerika unter Trump. Das wird nicht jedem gefallen. Doch hier gibt es einen Sänger, der etwas zu sagen hat – und seine Botschaft in makellosen Southern Rock verpackt.
Bewertung: 8 / 10