Bumblebee ist schon ein lustiger Zwitter: einerseits „nur“ ein weiterer Transformers-Film, andererseits eine 80er-Jahre-Hommage. Und was für eine! Das richtige Feeling verdankt der Film nicht zuletzt seinem Soundtrack. Also riskieren wir Auge und Ohr…
Bumblebee, Teil 1 – Der Film
Donnerwetter, es geschehen noch Zeichen und Wunder – oder eben auch nicht. Was ich meine? Bumblebee, der jüngste Zugang zum Transformers-Kinofranchise. Und der erste Film in der Reihe, der tatsächlich wie ein richtiger Film funktioniert. Knapp zehn Jahre lang hat Michael Bay die Verwandlungs-Roboter-Welle geritten, und in dieser Zeit haben seine Blechkameraden mehr und mehr Schrauben locker gehabt. Der Maestro, so schien es, bastelte da an einer neuen Form von Kino, die nicht mehr den üblichen dramaturgischen Gesetzen gehorchen sollte. Umso verwunderter rieb sich das (Heim-)Kino-Publikum die Augen, als es Bumblebee erblickte, und dachte sich: Mensch, was ist denn das? Da hauen sich Roboter zwar gegenseitig aufs Haupt, aber sie tun das in einem richtig guten Film!
Doch seien wir mal ehrlich: Der Regisseur des Spin-offs um den kleinen gelben Publikumsliebling Bumblebee ist Travis Knight. Und wer den kennt, der hat doch nichts anderes erwartet, als dass der dem ollen Bay mal vormacht, wie man einen anständigen Film mit… ja, mit Verwandlungs-Robotern auf die Beine stellt. Schließlich hat der Mann als Chef des Animationsstudios Laika solche modernen Klassiker wie Coraline, Die Boxtrolls oder Kubo – Der tapfere Samurai erschaffen. Bumblebee reiht sich da im Grunde gut ein. Dieses Mal gibt es zwar keine Stop-Motion, dafür aber wieder die perfekten CGI von Industrial Light & Magic. Knight entführt uns in die 80er Jahre und verpackt Bumblebees Vorgeschichte in eine gut geölte und gut aufgelegte Coming of Age-Geschichte mit Hailee Steinfeld in der Hauptrolle.
Nur eine Hommage?
Um das mal eben zusammenzufassen: Als 80er Jahre-Coming of Age macht Bumblebee viele Sachen richtig. Da wäre die Tatsache, dass sich der Film „echt“ anfühlt, also „echt 80er“. Es gab in den vergangenen Jahren mal mehr, mal minder gelungene Versuche, den Geist der Dekade auf die Leinwand zu hieven und entsprechend zu kapitalisieren. Unser aller Lieblings-Filmkopierer J.J. Abrams tat das gewohnt kalkuliert mit Super 8. Aber man muss ihm lassen, dass sein Film wirklich so aussieht, als sei er in den 80ern gedreht worden. Sein großes Vorbild Steven Spielberg tat es ein bisschen bemüht, wenn auch mit der ihm eigenen inszenatorischen Finesse mit Ready Player One. Nun also Bumblebee: Der bildet den vorläufigen Höhepunkt, indem er nicht groß herumschreit: „Hallo, ich bin 80er!“ Er tut das zwischen Robo-Action und Teenie-Selbstfindung schon beinahe unmerklich. Und damit umso angenehmer.
Knight nutzt dabei viele bekannte Motive, die wir aus älteren Filmen kennen. Spielbergs E.T. zum Beispiel, nur dass der Außerirdische dieses Mal ein Roboter ist und der Junge Elliott das Mädchen Charlie. Zurück in die Zukunft versteckt sich auch gleich mehrfach im Film, mal als Kameraeinstellung, mal als Requisite. Am auffälligsten dürfte das Zitat von John Hughes‘ Breakfast Club sein, aber dazu kommen wir später noch. Und dann wären da ganz am Rande einige Motive aus Werken wie Herby, Der Gigant aus dem All oder BFG, also der Big Friendly Giant. Auch wenn die nicht direkt aus den 80ern stammen. Lange Rede, kurzer Sinn: Wäre man böswillig, könnte man Knights Bumblebee vorwerfen, er wäre eigentlich nur eine Hommage mit Roboter-Bonus. Aber verdammt: Die Nummer funktioniert einfach!
The Transformers Club
So, kommen wir noch mal zum Breakfast Club und damit zum Kern der Sache: Wir sehen Bumblebee an einer Stelle, wie er genau diesen Film auf VHS schaut (Bumblebee spielt 1987, Breakfast Club kam 1985 in die Kinos – war der in den USA so schnell auf Video verfügbar? Ach, egal…). Und wir sehen, wie Judd Nelson am Ende seine berühmte Pose einnimmt – die in die Höhe gestreckte Faust. Robo Bumblebee wird diese Pose ein paar Mal im Film zitieren. Na, und was gehört noch dazu, wenn man Judd Nelsons Faust sieht? Genau! Simple Minds – „Don’t you (forget about me)“. Wenn ein Song zum Synonym für Jugendkultur in den 80ern geworden ist, dann wohl dieser. Bumblebee macht daraus ein Prinzip: Der Film streut immer wieder markante Songs in seine Handlung ein und nimmt seine Zuschauer mit auf eine musikalische Reise durch die frühen 80er.
Lassen wir also mal Robos Robos sein und widmen wir uns den Musikcharts von vor knapp 35 Jahren. Um mal die für mich besten Soundclips aus Bumblebee rauszugreifen…
Bumblebee, Teil 2 – Die Musik
Don’t you (forget about me): Simple Minds also. Die Band liefert noch immer hochanständige Alben, ist aber leider etwas aus der breiten Wahrnehmung verschwunden. Diesen Song kennt dagegen jeder. In Bumblebee ist das Stück gleich an zwei Stellen zu hören: Bei besagter VHS-Sitzung, wenn der Autobot lernt, dass er sich auch mit Text-Schnipseln aus dem Radio verständig machen kann (der Cineast spricht dabei von „diegetischem Soundtrack“). Und am Ende, wenn der gelbe Held neben einem Truck fährt, der frappierend an Optimus Prime erinnert. Nun ja, als der Song herauskam, dachte wohl noch niemand an CGI-Roboter, wohl aber an einen Teenie-Film: „Don’t you…“ wurde eigens für Breakfast Club geschrieben, unter anderem von Steve Schiff, dem Gitarristen aus Nina Hagens damaliger Band.
Danach wurde der Song mehreren Acts angeboten. Billy Idol und Bryan Ferry lehnten ab, so kam das Ding zu den Simple Minds und letztlich im Mai 1985 in die Charts. Seitdem wurde der Song in American Dad, Family Guy, Pitch Perfect und – wohl am prominentesten – der Emma Stone-Komödie Einfach zu haben genutzt.
Higher Love: Welcher Song passt wohl besser zu der Szene, in der sich Hailee Steinfelds Charakter Hals über Kopf in einen gelben VW Käfer verliebt? Higher Love stammt von Steve Winwood und wurde 1986 veröffentlicht. In dem Song ist übrigens Prominenz vertreten, denn bei den Aufnahmen wirkten Nile Rodgers und Chaka Khan mit. Wer etwas Spaß haben möchte, kann das offizielle Video zu „Higher Love“ mal mit dem Video zu „Notorious“ von Duran Duran aus demselben Jahr vergleichen. Kleiner Tipp: Beide Videos hatten dasselbe Regie-Duo am Start. „Higher Love“ war ursprünglich zwar kein Filmsong, wurde aber bald, nämlich 1988, in der Bette Midler-Komödie Zwei mal Zwei von Jim Abrahams (genau, einer vom ZAZ-Trio, das unter anderem die Nackte Kanone und Hot Shots! verbrochen hat) genutzt. Im Videospiel Grand Theft Auto V taucht das Lied auch auf.
Arpeggio mit Pop-Appeal
Save a Prayer: Apropos Duran Duran – die britische New Wave-Band findet sich ebenfalls auf dem Soundtrack. Der Song „Save a Prayer“ ist kurz zu hören, während sich Steinfeld mal wieder von ihrer Familie im Besonderen und der Welt im Allgemeinen betrogen fühlt – Teenie halt. So kurz das Stück zu hören ist, mit seinem Synth-Arpeggio, also einer Art Triller, der durchgehend im Hintergrund gespielt wird, ist es doch umso markanter. Bei seinem Erscheinen 1982 konkurrierte das Stück in den Charts übrigens mit einem anderen legendären Filmsong: „Eye of the Tiger“ von Survivor. Zwei Fakten noch: Beim Video arbeiteten Duran Duran mit dem späteren Kinoregisseur Russell „Highlander“ Mulcahy zusammen.
Und der Song wurde von der Band Eagles of Death Metal gecovert – die 2015 im Pariser Bataclan Theater während des Terrorangriffs auf der Bühne stand. Eine Woche nach den Anschlägen brachte man das Cover unterstützt von Duran Duran auf den Markt und spendete die Erlöse für Charity-Zwecke.
Runaway: Eine hübsche Überraschung relativ zu Beginn von Bumblebee ist der Song „Runaway“. Er stammt unverkennbar aus der frühen Glam Metal-Phase von Bon Jovi (also aus der Zeit, als die Band noch richtige Musik gemacht hatte) und kam 1983 in die Charts – also bereits Jahre, bevor die Band mit ihrem Album Slippery When Wet steil ging. Der legendäre Gitarrist Richie Sambora war bei „Runaway“ übrigens noch nicht Teil der Band. Der Song war Bon Jovis erster größerer Hit und begründete den Erfolg der Band. Doch steht er heute etwas im Schatten vieler Hits, die noch folgen sollten, wohl auch weil er unverkennbar den 80er-Hair Rock-Sound hat, der irgendwann nicht mehr angesagt war. So fand „Runaway“ auch nicht so eifrige mediale Verwendung. Immerhin schaffte er es in das Videospiel Rock Band 3 sowie in die Kevin James-Komödie Paul Blart: Mall Cop. Und in die 80er-Hommage-Serie Stranger Things.
Songs für Weltbeherrscher
Everybody wants to rule the World: Der Name ist Programm. „Everybody wants to rule the World“ passt als Motto nun wirklich in so manchen Kontext, und so fand der Song von Tears for Fears aus dem Jahr 1985 auch eifrig Verwendung in den Medien. Am bemerkenswertesten dürfte Lordes Cover für The Hunger Games: Catching Fire sein, aber zu hören war das Stück auch in Romy und Michele, Klick und Pixels (beide mit Adam Sandler), Straight Outta Compton, Psych, Mr. Robot und noch ein paar anderen Serien. Auch in einigen Spielen taucht er auf, darunter Bioshock Infinite und Rock Band 3 (sic!). Ach, in Bumblebee wird der Songs während der ersten automobilen Annäherungsversuche zwischen Hailee Steinfeld und ihrem adoleszenten Love Interest gespielt.
Take on me: Einen musikalischen Griff in die Klischeekiste leistet sich Bumblebee dann doch. Nein, nichts gegen den Song von A-ha, der ist zeitlos, ein Klassiker, ganz großes Kino. Aber der war halt erst im vergangenen Jahr in Ready Player One zu hören. Da kommt schon ein gewisses Gefühl von „me too“ auf. Hätte man sicherlich auch kurzfristig auswechseln können. Zumal „Take on me“ in Bumblebee recht deplatziert wirkt. Aber zum Song: Der war im Jahr 1984 die Debüt-Single von A-ha und katapultierte die Band erst ein Jahr später in einem zweiten Anlauf an die Spitze des Pop-Business. Einen maßgeblichen Anteil daran dürfte das Video gehabt haben mit seinen damals unglaublichen Spezialeffekten. Regie führte da Steve Barron, der später vor allem im Fernseh-Bereich tätig werden sollte, unter anderem beim Zweiteiler Merlin mit Sam Neill.
Für das Musikvideo ließ er sich teilweise von Ken Russells Horrorfilm Der Höllentrip mit William Hurt inspirieren. Erstaunlich ist dann schon beinahe, dass „Take on me“ nur in wenigen Filmen Verwendung fand, in besagtem Ready Player One und als Cover-Version im oscarprämierten Filmmusical La La Land.
Das Ende der Smiths
Girlfriend in a Coma: Kommen wir zu einer Band, die man in den 80ern (und danach) wohl cool finden musste: The Smiths. Oder auch bekannt als das Vehikel von Sänger Morrissey und Gitarrist Johnny Marr. In Bumblebee spielt Hailee Steinfeld den Song im Autoradio des Autobots ab. „It’s brand new“, sagt sie da, was auch passt: Der Song kam 1987 heraus. Bumblebee steht allerdings nicht auf den gefühligen Depri-Britpop und spuckt die Kassette sofort wieder aus. Der Band ging es übrigens ähnlich: Morrissey und Marr zerstritten sich über die B-Seite der Single zu „Girlfriend in a Coma“ („Work is a four-letter-word“ von Cilla Black) und gingen fortan getrennter Wege. Der Song wurde zwar häufig gecovert, unter anderem von Panic! at the Disco und Noah and the Whale, aber bis Bumblebee noch nicht im Film verwendet.
Dafür trieb es Johnny Marr zeitweise zur Filmmusik: So arbeitete der Gitarrist zusammen mit Hans Zimmer an den Scores zu Inception, Amazing Spider-Man 2 und Freeheld und begleitete den Komponisten bei einigen Konzerten.
Apropos Ausspucken: In derselben Szene „füttert“ Hailee Steinfeld den gelben Robo mit Rick Astleys „Never gonna give you up“ (und erfindet damit eine frühe Form des Rickrollings). Klar, dass Bumblee die Kassette auch sofort ausspuckt. Die Musikauswahl ist allerdings verwunderlich: Zu Beginn des Films trägt Steinfeld ein T-Shirt der Metal-Band Motörhead und fragt Bumblebee auch bald, ob dieser Metal-Fan sei. Und dann hat ausgerechnet dieses toughe Mädel eine Kassette von Rick Astley in der Sammlung! Damals ein Inbegriff für künstlich erzeugten Plastik-Pop! Naja, egal, der Film gewährt in einer Einstellung weitere Einblicke in Steinfelds Musiksammlung, und da finden sich INXS neben Depeche Mode, Adam and the Ants (zweimal vertreten) neben besagten The Smiths (vierfach vertreten), Joan Jett (doppelt in der Sammlung) neben Pink Floyd und die Talking Heads neben Oingo Boingo (also der alten Band von Filmkomponist Danny Elfman sowie dessen Kollegen Richard Gibbs).
Songs fürs Feeling
Um das Ganze vollständig zu machen: Insgesamt führt Bumblebee ganze 26 Songs im Soundtrack. Auf jeden einzeln einzugehen, würde aber den Rahmen sprengen. Zumal wir eigens die markantesten rausgesucht haben. Bemerkenswert ist dabei, dass in jüngster Vergangenheit einigen Filmen vorgeworfen wurde, möglichst viele Pop- und Rocksongs in ihre Handlung reinzuquetschen, nur um beim Publikum möglichst billig einen Feel-Good-Effekt rauszuschinden. Suicide Squad von Warner machte zum Beispiel den Eindruck, und da war es nun wirklich nicht notwendig. Bumblebee könnte man diesen Vorwurf auch machen: Pack möglichst viele 80er-Jahre-Hits in den Streifen, dann passt das mit den 80ern auch schon irgendwie! Das ist sicher nicht falsch, nur fühlt es sich hier doch noch recht organisch an.
Und dann steht Bumblebee auch noch für eine kleine, aber hässliche Ironie: Es ist der sechste Transformers-Film, aber der erste wirklich gute Film in der Reihe. Und leider ausgerechnet derjenige mit dem geringsten Einspiel. Jetzt könnte man argumentieren, dass Michael Bay dem Publikum den Spaß an den kämpfenden Blechbüchsen ausgetrieben hat. Was sicherlich nicht ganz verkehrt ist, schwächelte doch auch schon der Vorgänger The Last Knight am Box-Office. Der Film um den gelben Robo war sicherlich noch profitabel. Aber ein bisschen schade ist das schon…