„The Way it is“ – kennt jeder, oder? Genau, ist von Bruce Hornsby. Aus den 80ern. Die Americana-Klavier-Größe hat sich aber schon lange von alten Pop-Fesseln gelöst. Und legt mit Absolute Zero einen virtuosen Höhepunkt seines Schaffens vor.
Darf ich vorstellen? Bruce Hornsby. Nein, ich meine nicht den Musiker, sondern vielmehr die Musik. Ich nenne das, was da auf seinem neuen Album zu hören ist, jetzt einfach mal Bruce Hornsby – oder schlicht Hornsby. Der Grund dafür ist ein so einfacher wie komplexer: Beim wiederholten Genuss der neuen Scheibe Absolute Zero hatte ich mehr denn je Probleme, das Gehörte auch wirklich in eine musikalische Schublade packen zu können. Das Album sperrt sich schlicht dagegen. Ist es Pop? Ist es Jazz? Nö, allenfalls irgendwas dazwischen. Blues? Folk? Ja, Neo-Folk? Americana anyway? Sicherlich, irgendwie, aber irgendwie auch nicht. Vielleicht könnte man es sich auch einfach machen und Absolute Zero schlicht als Progressive Piano Folk Jazz bezeichnen. Oder als Kammermusik-Punk-Avantgarde.
Bruce Hornsby hat sich nun schon lange aus dem Mainstream verabschiedet. Wir erinnern uns: In den 80ern hatte der Mann mal einen Riesenhit mit „The Way it is“. Und wenn man nur Radio hört, mag man den Eindruck gewinnen, dass Hornsbys ganzes Schaffen lediglich aus diesem einen Song besteht, schließlich wird nie was anderes von ihm gespielt. Dabei hatte er Mitte der 90er doch mit „Walk in the Sun“ einen Achtungserfolg und stand auch noch ein bisschen im Fokus des Singer-Songwriter-Zirkus. Doch es wurde damals bereits deutlich, dass der Mann auf den ganzen Kram immer weniger Bock hatte. Er widmete sich seinem virtuosen Klavierspiel und machte es noch etwas virtuoser. Hornsby schielte mehr als einmal in andere Musikrichtungen rüber, ob das nun Bluegrass war oder Zwölftonmusik. Er spielte mit The Grateful Dead. Und er schrieb für Regisseur Spike Lee ein paar Soundtracks.
Beim nächsten Song ist (wieder) alles anders
Absolute Zero wirkt nun so ein wenig wie eine wichtige Etappe auf diesem Weg. Es ist technisch, aber warm, atonal, aber groovy, minimalistisch, aber rund. Irgendwo schwankend zwischen fragilem Sound-Experiment und gehobenem Piano-Pop, wohlgemerkt mit hübschen Melodien. Das macht sich gleich beim Einstieg mit dem Titelsong „Absolute Zero“ bemerkbar, der auf einem lockeren Rhythmus von Jazz-Drummer Jack DeJohnette aufbaut. Der hat schon mit Miles Davis, Herbie Hancock und Keith Jarrett gespielt, und das mag vielleicht einen Hinweis geben, in welche Richtung das restliche Album laufen könnte. Aber falsch gedacht, mit „Fractals“ gibt es ein leicht schräges Stück, bei dem flirrende Klavierläufe scheinbar durch reine Percussion geerdet und von einem groovigen Gesangsthema überspielt werden.
Eine erneute Kehrtwende und einen frühen Höhepunkt des Albums bildet im Anschluss das Stück „Cast-off“. Hornsby liefert da im Duett mit Justin Vernon vom Folk-Projekt Bon Iver ein hochmelancholisches und gleichzeitig extrem hoffnungsfrohes Liedchen, minimal bestückt, leicht elektronisch verfremdet, aber mit großem Suchtfaktor. Beim folgenden „Meds“ sind neben Vernon noch Rob Moose, ebenfalls Bon Iver, und der Songwriter Blake Mills mit an Bord. Auf „Never in this House“ betritt dann die Kammermusik-Formation yMusic die Bühne und bleibt für den Rest des Albums auch dabei. Die klassischen Musiker wiederum packen bei „Voyager One“ ordentlich Funk mit ins Spiel und spendieren dem Album mit ihren Streicher-Arrangements von „Take you there (misty)“ einen würdigen Abschluss.
Aufmerksamkeit wird belohnt
Hornsbys neue Scheibe – das muss man zugeben – verlangt zunächst etwas Aufmerksamkeit. Doch beim wiederholten Durchlauf wird der Zuhörer reich belohnt. Da ist eigentlich alles drin, musikalisch wie auch textlich, stellenweise linsen auch mal The Grateful Dead oder die Art Rocker von Yes um die Ecke – ja, Jon Anderson hat auf diesem Album als Gastmusiker eigentlich noch gefehlt. Vielleicht beim nächsten Mal. Doch ist zu erwarten, dass Bruce Hornsby mit dem nächsten Album – quasi rein zur Abwechslung – wieder ein Bluegrass- oder Folk-Album zwischenschieben wird. Absolute Zero ist schon was Besonderes, nämlich ein Album eines Musikers, der seit Jahrzehnten etabliert ist und trotzdem noch Lust hat, neue Wege zu beschreiten. Hornsby halt.
In Kürze: Bruce Hornsby hat keinen Bock auf ausgetretene Pfade – und macht einfach was anderes. Wo das musikalisch einzuordnen ist, ist nur schwer zu sagen. Also bezeichnen wir es einfach mal als „Hornsby“. Ein oder zwei Dinge treffen jedoch auf das neue Album Absolute Zero zu: Es ist spannend zu entdecken. Und es ist hübsch anzuhören. Schönes Ding.
Bewertung: 9 / 10