Ready Player One also… Alle haben die Hommage an die 80er Jahre gesehen? Nein, nicht alle. Ein einsamer Nerd hat den Verlockungen bislang widerstanden – und erzählt im Interview, was er denn von solch einem Film erwartet…
Steven Spielbergs Ready Player One ist ein guter Anlass für ein kleines Experiment: Die Buchvorlage von Ernest Cline gilt als die ultimative Hommage an die 80er Jahre. Die Geschichte ist vollgestopft mit unzähligen Referenzen an die Popkultur des Jahrzehnts und deshalb besonders reizvoll für alle Nerds, die mit dem damals aufblühenden Popcorn-Kino aufgewachsen sind. Oder frei nach Florian Illies in Generation Golf: die Leute, die in ihrer unbeschwerten Kindheit samstags auf dem elterlichen Sofa Frank Elstner und Thomas Gottschalk bei Wetten, dass…? zuschauen durften.
Was nun das Experiment angeht: Es gibt da einen Nerd, der Ready Player One – kurz: RP1 – bislang weder in Buch- noch in Filmform goutiert hat, nämlich David. Der kann sich ganz unbefangen dazu äußern, welche Erinnerungen er noch an die 80er hat und wie für ihn die ideale 80er-Hommage aussehen würde. Wirklich so wie im Film?
Hallo David. Wie fandest du die Raumschlacht mit dem Sternzerstörer und der TNG-Enterprise in Ready Player One?
David: Da ich den Film nicht gesehen habe, kann ich es nur schwer einschätzen.
War auch nur ein Test. Du hast Ready Player One also wirklich nicht gesehen oder etwas über den Inhalt gehört?
David: Über den Inhalt habe ich schon etwas gehört, das war ja auch schwer zu vermeiden. Gesehen habe ich bislang aber nur Trailer.
Was kennst du denn vom Inhalt?
David: Ich vermute mal, ich kenne die grundsätzliche Geschichte – die aber nur oberflächlich. Also die Story um das Online-Spiel, den großen Preis, den bösen Konzern und den Underdog, der am Ende gewinnt.
Ok, damit hätten wir das Happy End schon mal gespoilert. Danke. Das Buch soll ja eine 1980er Hommage sein. Bist du selbst in den 80ern aufgewachsen?
Zum Teil, ja. Ich bin Anfang der 80er geboren, also habe ich ein bisschen was mitgekriegt als Kind.
Welche Erinnerungen hast du noch an das Jahrzehnt?
„Die 80er – das war vor allem Unbeschwertheit. Und scheinbar unendlich viel Zeit.“
David: Die Erinnerungen sind inzwischen schon etwas verblasst. Eigentlich gibt es nur noch grobe Empfindungen die man damals hatte. Vor allem Unbeschwertheit. Keine Sorgen, scheinbar unendlich viel Zeit…
Also warst du für den Kalten Krieg und die Angst vor der Atombombe noch zu jung. Glückwunsch. Und was die Popkultur angeht, was ist da noch hängen geblieben?
David: Ehrlich gesagt, nicht besonders viel. Im ausgehenden Jahrzehnt hatte ich meinen ersten Kinobesuch, nämlich das Dschungelbuch in Wiederaufführung. Und davor gab es eigentlich nur das TV-Programm und Videoaufnahmen. Die ganze Bandbreite an Filmen und Musik aus diesem Jahrzehnt habe ich erst im Laufe der 90er abgearbeitet.
Wenn du dir diese „Bandbreite“ erschlossen hast, was sind denn so die Meilensteine für dich – zum Beispiel aus der Musik…
David: Musikalisch möchte ich mich nicht auf einen Meilenstein festlegen. Das wäre unfair. Aber aus meiner Sicht haben die damals aktiven Künstler ihre besten Arbeiten und auch die nachhaltigsten Hits abgeliefert. Gerade der Einzug der elektronischen Instrumente hat vielen einen völlig neuen Sound gegeben. Ich denke, es ist kein Wunder, dass viele Songs noch heute regelmäßig im Radio gespielt werden.
Und wie sieht es mit dem Fernsehen aus?
David: Das Fernsehen ist in meinen Augen am schlechtesten gealtert. Da gab es noch andere Inhalte, die aus heutiger Sicht eher peinlich wirken. Auf Anhieb würde mir keine Realserie einfallen, die man heute noch ernsthaft gucken kann, ohne dabei die rosarote Retrobrille aufzuhaben. Für einen Nostalgie-Flash vielleicht noch brauchbar, aber alles andere ist schon hart an der Grenze. A-Team, Knight Rider und Konsorten sind aus heutiger Sicht einfach nicht gut. Schon manches Mal habe ich mich gefragt, warum man das Zeug damals mochte. Aber als Kind hat man andere Ansprüche.
„Die innovativsten Filme kamen in den 80ern raus. Danach änderte sich vieles im Filmbereich.“
Siehst du das mit dem Film ähnlich?
David: Nein. Die innovativsten und einflussreichsten Filme kamen in den 80ern raus. Sieht man ja alleine daran, wie viel aus diesem Jahrzehnt immer noch neuverfilmt wird und welche Stoffe selbst nach langer Zeit noch Fortsetzungen erhalten. Gerade der Horror- und der Actionbereich haben in diesen Jahren absolute Klassiker produziert, auch wenn einige heute eher mit einem Augenzwinkern konsumiert werden müssen. Ich denke, diese Entwicklung begann mit Star Wars 1977 und endete irgendwann 1988/89. Danach änderte sich vieles im Filmbereich.
Gibt es denn einige Lieblingsfilme von dir aus diesem Jahrzehnt?
David: Lieblingsfilme sind bei mir ein variables Konstrukt. Die Positionen ändern sich ständig, je nach Laune oder Wetter. Manche fallen aus meinen Favoriten-Listen heraus und kommen erst Jahre später wieder rein, andere bleiben für immer draußen. Die Welt, in Bewegung sie ist. Aber es gibt Filme, die sich immer in diesem Konstrukt finden lassen. Filme, die nicht immer auf Platz 1 stehen, aber die ich immer wieder gerne gucken, ohne dass sie langweilig werden. Zum Beispiel „Das Ding aus einer anderen Welt“. Kann ich immer und überall gucken. Dazu zählen dann auch „Aliens“, „Die schrillen Vier auf Achse“, „A Nightmare on Elm Street 3“, „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ und „Lethal Weapon“. Und eben auch „Zurück in die Zukunft“.
Du sagtest eben, später änderte sich vieles im Filmbereich. Was machte diese 80er-Filme aus, das Filme zum Beispiel aus den 90ern nicht mehr hatten?
David: Die Naivität. Oder besser gesagt: die fehlenden Sorgen. Die Filme wurden – so zumindest mein Eindruck – einfach gemacht, ohne allzu viele Hintergedanken. Mal abgesehen davon, dass sie finanziell erfolgreich sein sollten. Besonders im Actionfilm war vieles sehr simpel: Gut und Böse waren klar getrennt. Ab und zu gab es mal einen undurchsichtigen Charakter, aber das war es auch schon. Das ist natürlich vollkommen unrealistisch, aber das war auch selten die Intention. In den 90ern schien alles etwas komplexer zu werden und mehr auf einzelne Zielgruppen zugeschnitten zu sein. Vieles war immer noch over the top, aber der ein oder andere Subtext wurde eingearbeitet. Nicht immer erfolgreich, meistens sogar sehr plump. So haben die Filme aus den 90ern auch eine sehr eigene Handschrift, an denen man sie gut einordnen kann. Gerade die Anfänge von Bruckheimer & Co. in den 80ern wurden konsequent weitergeführt und formten das Bild des Actionfilms maßgeblich. Die waren dann auch oft ein gutes Beispiel für plumpe Inhalte mit fragwürdigen Botschaften – siehe Top Gun.
„Spielberg hat das Kintopp der 80er wie kein anderer geprägt.“
Welchen Anteil hatte ein Steven Spielberg für dich daran?
David: Spielberg hat das Kintopp und auch das allgemeine Bild der 80er sicherlich wie kein anderer geprägt. Lustigerweise laufen seine ernsten Filme aus diesem Jahrzehnt eher nebenher, seine „Fun“-Projekte hatten deutlich mehr Einfluss, der auch noch bis heute anhält. Die Popkultur hat er also fast im Alleingang geformt. Sei es nun als Regisseur oder als Produzent. Daran liegt es wohl auch, dass ich selbst heute mit seinen Blockbuster-Filmen mehr anfangen kann als mit seinen Dramen. Gute Filme, keine Frage, aber öfter muss ich die auch nicht sehen.
Welche anderen Regisseure fallen dir noch ein, die wichtig waren für das 80er Jahre-Kino?
David: Definitiv James Cameron. Der Gute wird heute ja eher für seine Avatar-Pläne belächelt, aber er war und ist halt immer noch wegweisend. Ähnlich wie George Lucas hat er das Kino geformt. Ohne ihn wären viele Filme nicht so, wie wir sie kennen. Sicherlich haben noch andere Regisseure Großes geleistet, aber den Eindruck, den sie hinterließen, war halt nicht so gewaltig.
Viele von denen sind auch erst in den Jahren danach zu Ehren gekommen. John Carpenter zum Beispiel, der ab Mitte der 80er für viele Filmfans abstieg – was heutzutage wiederum komplett anders wahrgenommen wird. Andere Regisseure wie Sam Raimi hatten damals noch keinen großen Namen und konnten erst später der Filmbranche ihren Stempel aufdrücken. Wieder andere sind heute fast verschwunden. Wenn ich da an John McTiernan denke, der war in den 80ern groß, aber jetzt eher vergessen. Da gibt es ja einige gute Leute, die die Zeit nicht so erfolgreich überstanden haben.
Um jetzt mal den Bogen zu Ready Player One zu schlagen: Basierend auf deinem Wissen und deinen Vorlieben für den 80er-Film – welche Ansprüche würdest du an eine perfekte 80er Jahre-Hommage in Filmform stellen? Grundsätzlich…
David: Die Referenzen sollten nicht dem Selbstzweck dienen, sondern auch inhaltlich Sinn ergeben. Hier und da ein paar Easter-Eggs sind sicherlich spannend, aber wenn so eine Hommage nur daraus besteht, möglichst viele Details einzubauen, die sonst keinen Zweck erfüllen, ist es mir zu viel. Da muss ein Gleichgewicht herrschen. Alles, was ich bisher gesehen habe, kann man auch sehr oberflächlich damit beschreiben: Ein Kind schüttet seine Spielzeugkiste aus, und alles und jeder trifft aufeinander. Wahllos, aber in cooler Kombination. So wie man früher gespielt hat. Dann muss man aber auch ehrlich sein, Spaß hat es gemacht, inhaltlich war dieses Kinderspiel selten nachhaltig. Ob das für einen Kinofilm taugt…
Welche Elemente müssten denn für dich enthalten sein? Wer müssten die Protagonisten sein? Eher eine Kindergruppe wie bei den „Goonies“ und „Stand by me“ oder eher Muskelberge wie Arnold und Sylvester?
David: Das käme natürlich auf die eigentliche Geschichte an. Funktionieren könnte beides.
Ich hätte auch kein Problem damit, wenn man sich an bekannten Filmen orientiert, so lange es eben eigenständig bleibt und keine direkte Kopie ist. Ich finde die Mischung aus Kindern und den Larger-Than-Life-Avataren bei RP1 schon ganz in Ordnung. Damit verbindet man eben diese beiden Stereotypen des 80er-Kinos: Kindergruppen und Testosteron-Monster.
„Storys mit Kindern sind für eine Hommage die sicherste Bank – weil die heutige Zielgruppe damals selbst Kind war.“
Wenn du schon die Story ansprichst: Wie könnte die denn für dich aussehen? Immerhin hat auch RP1 den Anspruch, die ultimative 80er-Hommage zu schaffen…
David: „Stranger Things“ und die Neuverfilmung von „ES“ haben es sehr gut hinbekommen, dieses Gefühl der 80er zu vermitteln. Klar, sieht man immer wieder die modernen Einflüsse, aber man kann sie in dieser Form von Story – Kinder müssen sich einer Herausforderung stellen – deutlich besser überspielen als zum Beispiel bei einem Actionfilm. Das hat man auch bei den „Expendables“ gemerkt: Stallone wollte Old-School-Action abliefern, scheiterte dann aber daran, weil der Film zu modern wirkte. Ich denke, der Kinderaspekt wie in „Super 8“ oder dem anstehenden „Summer of 84“ ist die sicherste Bank, um eine Hommage zu drehen, auch weil die heutige Zielgruppe für solche Filme damals im Kindesalter war. Aber auch da merke ich, dass ich eher darauf stehe, wenn der Film die Atmosphäre der 80er versprüht und nicht nur ein Easter-Egg nach dem nächsten raushaut.
Was uns zur Optik bringt: Wäre es zwingend notwendig, die Äthetik der 80ern beizubehalten? Und wenn ja: Wie sieht die für dich aus?
David: Die Optik ist für mich eher nebensächlich. Meine Beispiele sehen ja auch recht modern aus und nutzen ebenso CGI. Das halte ich auch für völlig legitim. Nur weil man einen 80er-Film drehen will, muss man sich nicht einschränken. Die Stimmung ist da deutlich wichtiger. Dann könnte der Film meinetwegen auch zu 100 Prozent aus dem Rechner kommen.
Das bedeutet, der Kniff von Ready Player One, Cyberpunk zu nutzen, um die 80er in die Zukunft zu transferieren, wäre für dich kein Problem?
David: Nein, damit dürfte ich das kleinste Problem haben. Die Idee finde ich eigentlich auch ganz clever. So hat man eine Verbindung zwischen Retro und Zukunft.
Wenn schon 80er, dürften dann auch nur 80er-Elemente auftauchen? Spielberg, Lucas etc. haben ja schon früher Filme gemacht…
David: Das kommt auf den Anspruch der Macher an. Deklariere ich es als reine 80er Hommage, wäre es merkwürdig, wenn ich plötzlich auf Dinge zurückgreife, die vor oder nach dem Jahrzehnt auftauchten. Bei Lucas ist es einfach, Star Wars war ja auch in den 80ern populär und optisch identisch mit dem Erstling von 1977. Blöd wäre es aber, wenn der Weiße Hai plötzlich durchs Bild schwimmt.
Und wie wäre es mit Kubricks Shining?
David: Wie gesagt, wenn die Macher es eher als Popkultur-Hommage ansehen, kein Problem. Ansonsten muss man sich die Frage gefallen lassen, warum man die Sachen mit reinnimmt. Wenn sich das Buch bereits auf die 80er konzentrierte, wäre es nur konsequent, auch im Film 80er-Sachen zu bringen. Dann muss man eben auch auf Dinge verzichten. Dafür ist die Wirkung einfach besser. So weit ich mitbekommen habe, war aber auch im Vorfeld des Films die Kritik da, dass so viele moderne Properties auftauchten. Später schien es plötzlich egal, weil jeder die 1.000 Easter-Eggs abfeierte…
„Je größer der Hype ist, desto geringer ist mein Interesse.“
Hat dich das von der Filmsichtung bislang abgehalten? Oder was war der Grund?
David: Der Grund war ganz einfach: der Hype. In den vergangenen Jahren ist mir aufgefallen, dass ich schnell das Interesse an Filmen verlieren, die übermäßig gehypt werden. Ja, sie nerven mich dann sogar. Das ging mit den neuen Star Wars-Filmen los und erstreckt sich bis zu den neueren Marvel-Filmen. Je größer die Lobeshymnen im Vorfeld und die Berichterstattung, desto uninteressanter wird der Film für mich. Ja, der Hype war bei RP1 nicht so groß, aber er war da. Und die überschwänglichen Kritiken. Das ist übrigens im Umkehrschluss auch ein Grund, warum ich mich immer auf die arg gedissten DC-Filme freue.
Ok, letzte Frage: Willst du Ready Player One noch sehen? Und wenn ja: Wann und wie?
David: Sehen möchte ich ihn, ja klar. Wie und wann? Das entscheidet die Stimmung, oder ein Angebot bei Amazon. Die 99 Cent-Freitage haben mir schon so manchen Filmgenuss beschert, den ich ansonsten noch monatelang vor mir hergeschoben hätte. Die letzten Jedi oder Black Panther zum Beispiel. Es kann aber auch genauso gut sein, dass ein gutes Angebot der Blu-Ray mich dazu verleitet, schneller zuzuschlagen.
1 comment