Was hat Rampage mit der 80er-Jahre-Komödie Geschenkt ist noch zu teuer gemeinsam? Antwort: gar nichts. Trotzdem hat das neue Dwayne Johnson-Vehikel altbekannte Emotionen bei mir hervorgerufen.
Kennt jemand dieses Lachen? Dieses erstickte, halb frustrierte, halb resignierte Lachen? Das kurz vor Wahnsinn steht? Das einfach aus jemandem herausbricht, der eigentlich nur weinen möchte. Tom Hanks hat das sehr schön vorgemacht in dem Hausbau-Film Geschenkt ist noch zu teuer aus dem Jahr 1986 (ja, genau, die Szene, in der die Badewanne durch die Decke bricht). Gut, jetzt kann man sich in etwa meine Reaktion vorstellen, als ich das erste Mal davon gehört hatte, dass Rampage verfilmt werden soll. Also das Arcade-Spiel, ebenfalls von 1986. Und weil solche Spiele schön linear Level für Level ablaufen, mache ich das jetzt auch…
Level 1: Die Erwartungshaltung
Höhö, da gab´s zum Mittagessen in der Vorstandsetage wohl wieder Koks als Beilage. Oder was bringt Warner Bros. sonst dazu, ein mittlerweile 33 Jahre altes Arcade-Spiel als Hollywood-Blockbuster verfilmen zu wollen. Man muss sich das so vorstellen: In Rampage, dem Spiel, geht es einzig und allein darum, Hochhäuser platt zu machen. Sinnigerweise mit einem Riesen-Gorilla, einem Riesen-Wolf und einem Riesen-Kroko. Was zur Frage führt: Was soll denn da groß in Rampage, dem Film, geschehen? Irgendeinen Grund müssen die Viecher ja haben, um in die Abriss-Branche einzusteigen. Vielleicht weil sie es beim letzten Lars von Trier-Film nicht auf die Besetzungsliste geschafft haben?
Und dann wäre da noch Dwayne Johnson! Ok, ich tue dem Mann Unrecht, aber irgendwie assoziiere ich diesen Namen automatisch mit harmloser Popcorn-Unterhaltung. Ganz lustig, aber selten anspruchsvoll. Stromlinienförmig. Auch wenn ich seine Filme bislang überwiegend launig fand, zuletzt etwa Jumanji 2 oder Skyscraper. Allerdings: In Baywatch hat er auch mitgespielt, und jetzt das hier. Hoffentlich wird das kein überproduzierter Affentanz.
Level 2: Äh, habe ich das da gerade richtig gesehen?
Na dann, Film, unterhalte mich! – Denke ich noch so und drücke auf Play. Wird schon irgendwie. Also geht’s los in einer Weltraumstation im Orbit. Ach ja, ein spaciger Prolog, wieso auch ni… Moment mal! Sehe ich da gerade wirklich eine Leiche, die aus einem Loch im Schädel blutet, in dem eigentlich ein Auge stecken sollte? Und ist das da in der nächsten Einstellung eine appe Hand (Mundart für: abgetrennte Hand)? Bin ich im falschen Film bzw. sitze davor? Im Folgenden erwartet mich: eine kurze Weltraum-Horror-Sequenz, die mich frappierend an den Film Life erinnert (der übrigens ein echt fieses Monster bot).
Und dabei soll es nicht bleiben. Ich reibe mir während des Films wiederholt die Augen und schaue zwischendurch ungläubig auf den FSK-Flatschen auf der Blu-Ray. „Ab 12“ steht da. Gab´s bei der Freiwilligen Selbstkontrolle auch mal wieder Koks? Rampage macht jedenfalls keine Gefangenen. Die genannten Riesenviecher metzeln (ja, metzeln!) sich da munter durch den Film, fressen Militärs und Spezialeinheiten, zermatschen noch mehr Militärs, schmeißen Körper aus Flugzeugen und von Hochhäusern. Und zwischendurch liegt mal ein Gedärm oder ein Körperteil im Bild herum. Ein Weilchen bin ich noch irritiert, aber ich nehme die gebotene Härte wohlwollend zur Kenntnis. Denn: Erstens erscheinen die Riesenviecher auf diese Weise als echte Bedrohung. Zweitens steigert das effektiv die Spannung. Und drittens kriegt der Film ein paar Ecken und Kanten.
Level 3: Arschlöcher müssen zusammenhalten
Nun ziehen wir den Schwierigkeitsgrad mal an – und kommen zu den Charakteren. Katastrophenfilme mit und ohne Riesenviecher bieten ja meist so ein Standard-Personal auf vom grundsympathischen Helden über einen engagierten Wissenschaftler (wahlweise männlich oder weiblich, aber auf jeden Fall naiv) bis zu irgendeinem fehlmotivierten Gegenspieler, der dem Helden beim Kampf gegen die eigentliche Bedrohung nur im Weg steht. Und in der Hinsicht gibt es bei Rampage schon weniger Überraschungen: Dwayne Johnson ist Dwayne Johnson, also ein… nun ja, ein grundsympathischer Held, der mal ein Special Forces-Typ gewesen ist (also beinahe so wie kürzlich in Skyscraper) und nun als Primatenforscher mit Gorillas arbeitet (was ja auch nahe liegt). Der Gute kann schauspielerisch übrigens problemlos mit dem CGI-Gorilla George mithalten. Naomi Harris gibt die engagierte Wissenschaftlerin, die eigentlich an allem Übel schuld ist. Aber ich muss zugeben: Die Gute ist erstens nicht naiv gezeichnet und zweitens extrem süß.
Und dann wäre da Jeffrey Dean Morgan – und damit doch eine Überraschung. Der Mann ist Genrefans ja sicherlich schon seit… nein, nicht seit The Walking Dead, sondern seit Losers und Watchmen bekannt. Hier gibt er den geheimen Regierungsagenten mit Cowboy-Attitüde, liefert sich einen verbalen Schwanzvergleich mit Johnson und hat sowieso im gesamten Film die besten Sprüche (und ein cooles Grinsen) auf seiner Seite. Morgan hat sichtlich Spaß, das Arschloch zu geben, allerdings ein Arschloch mit ehrlichem Kern. Ach, und ich will nicht spoilern, nur so viel: Joe Manganiello spielt irgendwie auch mit und sorgt ebenfalls für eine Überraschung.
Man merkt es vielleicht: Inzwischen hat mich der Film an der Angel. Es geht flüssig und unterhaltsam ab. Oder um es mit Tom Hanks zu sagen:
Level 4: Kaputt, kaputt, kaputt!
Gestalten wir es also noch ein bisschen kniffliger. Welche Story mögen uns drei Riesenviecher beim Häuser-Abreißen wohl bieten? Ist das Ganze eine Reflexion darüber, dass die Natur irgendwann doch über den Menschen triumphieren wird? Handelt es sich vielleicht um die Fortsetzung eines Darren Aronofsky-Films, von dem ich zufällig nichts weiß? Nö, viel simpler. Es geht um drei Riesenviecher beim Häuser-Abreißen. In Chicago. Wobei das „Unternehmen Abrissbirne“ erst im letzten Drittel so richtig zum Tragen kommt. Vorher gibt es eine Monsterhatz mit mehreren Creature Horror-Momenten und ein paar hübsche Setpieces inklusive Flugzeugabsturz.
Man erahnt es: Die Handlung besteht aus einer Aneinanderreihung von Actionszenen. Ja, mag sein, aber mal ehrlich: Das ist doch das Beste, was einem solchen Film wie Rampage passieren kann. Der Streifen macht auf Tempo und hält sich nicht lange mit pseudo-moralischen oder amourös aufgeladenen Szenen zwischen Held und Side-Girl auf. Tod und Zerstörung und flotte Sprüche auf knackige 100 Minuten komprimiert, das gibt es heute auch nicht mehr oft.
Bonus-Level – Besser gut kopiert als schlecht erfunden
Rampage ist eines bestimmt: keine stromlinienförmige Familienunterhaltung. Auch wenn die Grenzen da fließend sein mögen, aber der Streifen ist mehr ein Monsterfilm als ein reiner Popcorn-Film. An mehr als einer Stelle fühle ich mich an den modernen Klassiker des Genres erinnert: Jurassic Park. Jetzt erreicht Rampage bei weitem nicht dessen Klasse, aber der Mix aus ernsten und lustigen Momenten funktioniert nicht nur beim Spielberg-Film, sondern auch beim Johnson-Vehikel erstaunlich gut. Mehr noch: An ein oder zwei Stellen könnte ich mir bestens vorstellen, dass Warner die Spieleverfilmung in ihr MonsterVerse aufnehmen sollte. Zumindest kann Rampage stimmungs- und actionmäßig gut neben Kong: Skull Island bestehen.
Zu verdanken ist das übrigens – das nur am Rande erwähnt – auch dem Filmkomponisten Andrew Lockington. Der hat schon mehrere Male mit Rampage-Regisseur Brad Peyton gearbeitet und liefert hier einen orchestralen Monsterscore ab. Hätte auch gut in Gareth Edwards´ Godzilla gepasst.
Game over – Hat Spaß gemacht
Rampage, das Spiel, besitzt 768 Level. Die erspare ich mir jetzt aber einfach und lasse noch mal einen Clip aus Geschenkt ist noch zu teuer für sich sprechen (übrigens mit Stirb langsam-Bösewicht Alexander Godunov).
In Kürze: Level 1 – Unternehmen Abrissbirne mit Gorilla – klingt nach Hirnriss. Level 2 – Holla, was geht denn da ab: Tod, Zerstörung und Gedärm. Level 3 – Drei Worte: Jeffrey. Dean. Morgan. Noch Fragen? Level 4: knackige 100 Minuten Laufzeit, das ist irgendwie ehrlich. Bonuslevel: Rampage ist nicht nur nette Popcorn-Unterhaltung, sondern ein echt launiger Monsterfilm.
Bewertung: 7 / 10
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