Seth MacFarlane singt. Das kann er richtig gut. Eigentlich sollte er sowieso unsere lockere Reihe mit singenden Filmschaffenden fortsetzen. Doch nun kommt er uns mit seinem neuen Album Once in a While sogar zuvor. 

Lieber Leser, stell dir einmal vor, dass diese Worte hier nicht blitzschnell durch deinen Schädel flitzen. Sondern dass jemand sie gaaaaaaaanz laaaaaaangsam spricht. Und dass er sie nicht einfach spricht, sondern butterweich durch ein Samtlaken in deine Ohren haucht. Mit einem leicht angedunkelten, aber glasklaren Timbre. Und dem nötigen Schmalz. Dann kriegst du ansatzweise einen Eindruck von „Half as lovely (twice as true)“ in der Version von Seth MacFarlane. Und das ist großartig! Bei dem Song handelt es sich um einen Swing-Klassiker, einen alten Schieber, der bereits 1954 von Frank Sinatra angestimmt wurde. Doch MacFarlane hütet sich davor, das Stück in irgendeiner Form zu modernisieren. Nein, da setzt es ein breites Orchester, sanfte Töne und eine dicke Portion Nostalgie. So muss das.

Seth MacFarlane CD Once in a While
Säusel, säusel – Seth MacFarlanes Once in a While ist auf breite Orchesterarrangements mit flauschigen Geigen-Teppichen gebettet, auf die sich der watteweiche Bariton von Seth MacFarlane legt.

Seth MacFarlane steht in unseren Breiten vor allem für ätzenden Humor: Family Guy, American Dad, Ted, A Million Ways to die in the West – das sind die Werke aus Film und Fernsehen, mit denen man ihn sofort assoziiert. MacFarlane ist aber deutlich mehr: Das Multitalent hat in frühen Jahren eine Gesangsausbildung von Lee und Sally Sweetland erhalten, die bereits Frank Sinatra und Barbra Streisand trainiert hatten. Und er ist fasziniert von Jazz, Swing, den alten Croonern und dem altmodischen Sound von Big Band und Orchester. Mit seinem Bariton steht er immer mal wieder auf der Bühne und macht dabei auch vor der altehrwürdigen Royal Albert Hall nicht Halt. Lange Rede, kurzer Sinn: MacFarlane ist ein ernstzunehmender Sänger und nicht bloß ein Schauspieler, der gerne auch in die Charts möchte.

Nachdenkliches im dicken Orchestergewand

„The Things that we did last Summer“ von seinem neuen Album Once in a While gibt eigentlich das perfekte Motto vor: Das Liebeslied stammt nicht nur aus dem Jahr 1946, es beschäftigt sich auch noch mit nostalgischen Gefühlen und liefert dabei einen bitteren Twist. So wie dieser Song ist auch der Rest des Albums einzuordnen: Die Trackliste besteht ausschließlich aus langsamen Stücken, die in ihren Texten genauso wie in ihrer Instrumentierung lange vergangene Zeiten heraufbeschwören. MacFarlane arbeitet auf diesem Album mit dem Komponisten Andrew Cottee zusammen, den er beim Animationsfilm Sing kennengelernt und darauf gleich für seine Science-Fiction-Serie The Orville verpflichtet hatte. Und Cottee kleidet die alten Songs in ein dickes Orchestergewand mit langen Intro- und Instrumentalpassagen. Ob Solo-Trompete oder Streicher-Teppich, alles klingt authentisch und auf den Punkt. Da ist zwar viel zu hören, aber nie zu viel.

Seth MacFarlane CDs
Die Nummer Fünf: Seth MacFarlane veröffentlicht seit seinem Debüt mit Music is better than Words mit schöner Regelmäßigkeit seine Alben. Bei den bisherigen Aufnahmen erledigte übrigens Komponist Joel McNeely die Arrangements und dirigierte das Orchester, auf Once in a While ist er nur als Produzent tätig.

„Can’t we be Friends“ zum Beispiel funktioniert genau so: oben ein Trompetchen, unter viele Streicher, dazu ein paar Klavier-Sprengsel, fertig ist die charmante Begleitung zu fortgeschrittener Abendstunde. Ganze 90 Jahre ist der Song alt, Ella Fitzgerald und Louis Armstrong hatten ihn mal zum Besten gegeben, so vor 63 Jahren. Bei MacFarlane klingt er kein bisschen gealtert und genauso wenig verjüngt. „What’ll I do“ ist noch älter: Irving Berlin hatte das Stück 1923 geschrieben. Gesungen wurde es in den 50ern unter anderem von Frank Sinatra oder Nat King Cole, auch hat es Filmvergangenheit, darunter Der Große Gatsby mit Robert Redford.

„You are too beautiful“ von 1932 wurde ein Jahr später von Al Jolson in Hallelujah I’m a Bum! gesungen. Übrigens für die Kenner: Regie Lewis Milestone, Skript Ben Hecht. Der Titelsong „Once in a While“ ist dagegen noch recht jung, nämlich von 1937, durfte aber auch schon als Titel bei Dean Martin oder Johnny Mathis herhalten.

Die Auferstehung der Tin-Pan-Alley

Das Album stammt aus einer Marathon-Session in den Londoner Abbey Road Studios im Jahr 2016. Damals hatte MacFarlane auch gleich die Songs für sein vorheriges Album „In full Swing“ sowie für eine weitere Scheibe aufgenommen, die noch folgen soll. Insgesamt handelt es sich bis dato um sein fünftes Album, wobei auffällt, dass sich die Werke mit einer beschwingten und die mit einer nachdenklichen Titelauswahl zuverlässig abwechseln. Mit seiner Songauswahl von alten Tin Pan Alley-Komponisten wie Irving Berlin, Johnny Mercer, Sammy Cahn oder Richard Rogers ist Once in a While jedenfalls ein gelungener, geradezu wohltuender Anachronismus unter den aktuellen Neuerscheinungen.

Stell dir einmal vor, lieber Leser, du dimmst abends das Licht, nimmst ein Glas zur Hand, legst die Beine hoch und entschwindest gedanklich mal eben in die 30er Jahre…

Seth MacFarlane Once in a While Booklet und CD
Smooth’n’Easy: Einfach ein Getränk zur Hand nehmen, die Beine hochlegen, der Musik lauschen – perfekter Abendausklang. Übrigens: Frank Sinatra hatte in seinem Scotch-Glas auf der Bühne immer Eistee. Und wir im Weinglas nur Kirschsaft.
Straße der Lieder


Die Tin Pan Alley war etwa von 1890 bis 1930 der Mittelpunkt der amerikanischen Musikindustrie. Dabei handelt es sich zunächst mal nur um eine Straße im New Yorker Stadtteil Manhattan. Gemeint ist die 28. Straße zwischen Fifth Avenue und Sixth Avenue. Im genannten Zeitraum waren dort die meisten Musikverlage in den USA vertreten und beschäftigten heute legendäre Komponisten wie Irving Berlin, Cole Porter oder George Gershwin. Die Lieder, die sie schrieben, begründeten später unter anderem die Karrieren des Rat Packs um Frank Sinatra. Eine kleine Hommage an die Tin Pan Alley gab es übrigens im Fernsehfilm Indiana Jones and the Scandal of 1920. Den Score dafür schrieb Joel McNeely, der die ersten vier Alben von Seth MacFarlane arrangiert und das aktuelle produziert hat. Doch dazu ein andermal.

In Kürze: Seth MacFarlane ist einmal mehr ein wohltuender musikalischer Anachronismus gelungen. Once in a While ist mit seiner Songauswahl von Tin Pan Alley-Meistern auf hohem musikalischen Niveau. Die Arrangements klingen frisch und neu, ohne die Lieder zu verjüngen. Und im Mittelpunkt steht immer der Bariton von Crooner MacFarlane, der sich vor Vergleichen mit den alten Größen des Business nicht scheuen muss.
Bewertung: 9 / 10

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