Alle Jahre wieder… wird gestorben. Aber langsam. Der Film Stirb langsam brachte Schwung ins Actionkino und mauserte sich zum Weihnachtsklassiker. Eine persönliche Retrospektive zu den Feiertagen und zum 30-Jährigen…
Da sitze ich nun also vor dem Fernseher und schaue zum ersten Mal diesen Film. Viel mehr gibt es gar nicht zu beschreiben. Ich weiß hinterher nur, dass mich eben dieser Film auf eine ziemlich gute Reise mitnimmt. Stirb langsam bietet ja auch alles, was gute Unterhaltung ausmacht: fremde Leute in Gefahr, grimmige Bösewichte, ordentlich Geballer, ein gerüttelt Maß Gewalt. Nun ja… Jedenfalls reißt der Film mich mit, lässt mich eintauchen und mitfiebern. Erst danach stellt sich – eher unterbewusst – das Gefühl ein: Irgendwie ist dieser Film anders. Also anders als diverse Actionfilme, die ich zuvor gesehen habe. Zur zeitlichen Orientierung: Wir befinden uns im Jahr 1990, und ich habe gerade meine Erstsichtung Stirb langsam hinter mir, natürlich per VHS. Für die Kinosichtung zwei Jahre zuvor wäre ich auch deutlich zu jung gewesen, immerhin heißt es zur Premiere noch: frei ab 18.
Anders also. Woran genau das liegt, lässt sich vielleicht mit einem einfachen Vergleich veranschaulichen: Was haben alle Helden, die sich durch die Actionfilme der 70er und 80er ballern und prügeln, gemeinsam? Ich meine solche Typen wie Clint Eastwood oder Charles Bronson oder Steve McQueen oder meinetwegen sogar Gene Hackman. Ich meine auch Arnold Schwarzenegger und Sylvester Stallone. Wenn man sich mal anschaut, was die starken Männer bis dahin zu bieten haben, dann muss man wohl feststellen: Die Typen sind total humorbefreit. Harte und zynische – und im Fall von McQueen auch ultracoole – Charaktere, ob sie im Film nun auf Namen wie Dirty Harry oder Rambo hören, auf Paul Kersey, Doc McCoy oder John Matrix. Ach, und falls nun irgendein Schlaumeier rufen sollte: „Aber Belmondo war lustig!“ – Der gilt nicht, der ist Franzose. Jawohl!
Actionheld im Feinripp
Und nun steht da plötzlich so ein Typ im blutigen Feinripp-Unterhemd vor mir. Ohne Schuhe, aber dafür mit einem gewissen Augenzwinkern im Gesicht und einem schiefen Grinsen im Mundwinkel. John McClane heißt der Mann. Der ist zwar ein Polizist aus New York, aber er ist kein Übermensch, sondern ein Durchschnittstyp. Nicht besonders muskulös, dafür mit dem Herzen am rechten Fleck. Und leider zur falschen Zeit am falschen Ort. „Accidental Hero“ nennt sich das im Englischen, also ein Held aus Zufall. Der sieht nicht rot und geht auf Rachefeldzug, der steht einfach nur mächtig unter Stress. Damit ist er ziemlich gut geeignet als Identifikationsfigur. Und er wird perfekt dargestellt von einem relativ frischen Gesicht im Kino, nämlich von Bruce Willis.
Bruce Willis hat im Film übrigens noch Haare. Das zeigt: Es ist verdammt viel Zeit vergangen, seit Stirb langsam für ein kleines Beben im Kinosaal – und in den Führungsetagen in Hollywood – gesorgt hat. Der Film feiert dieses Jahr (noch immer) sein 30-jähriges Jubiläum. Ein guter Grund für mich, pünktlich zu Weihnachten mal wieder die Disc in den Player zu werfen und alte Erinnerungen lebendig werden zu lassen.
Eigentlich handelt es sich bei Stirb langsam um eine Fortsetzung: Der Film basiert auf dem Buch Nothing lasts forever von Roderick Thorpe aus dem Jahr 1979 – der ein Sequel zu dessen Buch The Detective von 1966 gewesen ist. Dieses wiederum war mit Frank Sinatra in der Hauptrolle des Polizei-Detectives im Ruhestand Joe Leland verfilmt worden. Sinatra hatte aber keine Lust auf eine Fortsetzung, weshalb 20th Century Fox die Filmrechte zum zweiten Film zunächst in der Schublade verschwinden ließ. Als aber Arnold Schwarzenegger 1985 mit Phantom Kommando endgültig zum neuen Actionhelden aufstieg, erinnerte man sich wieder an die Geschichte, ließ ein Drehbuch schreiben mit Schwarzenegger im Hinterkopf – nur damit der die Rolle ablehnte.
Vor der Action kommt die Komödie
Meine Geschichte mit Bruce Willis beginnt ein Stückchen vor Stirb langsam. Denn Willis ist mir zu diesem Zeitpunkt schon gut bekannt, allerdings nicht als Action-Willis, sondern als Komödien-Willis. Auf RTLplus startet in Deutschland Anfang 1990 die Serie Das Model und der Schnüffler, und da gibt Willis den Chaoten, der nichts ernst nimmt. Als Privatdetektiv David Addison darf er sich mit Cybill Shepherd alias Maddie Hayes hitzige Wortgefechte liefern. Und dabei zeichnet er sich bereits – passend zu seiner Rolle – durch das besagte Augenzwinkern und Grinsen aus, das fortan zu so etwas wie einem Markenzeichen werden soll. Meine Lieblingsfolge übrigens: Atomic Shakespeare, also die Spoof-Variante von Shakespeares Der Widerspenstigen Zähmung.
Dann aber endlich… kommt noch mal der Komödien-Willis an die Reihe. Dieses Mal sogar in zwei humorigen Streifen von Altmeister Blake Edwards. Zuerst sehe ich Blind Date, eine herrlich überdrehte Sitcom mit Willis in der Hauptrolle eines total überforderten Biedermanns, dessen Leben von Kim Basinger völlig auf den Kopf gestellt wird. Und dann sehe ich Sunset – Dämmerung in Hollywood, eine beschwingte Räuberpistole aus der Frühzeit Hollywoods mit James Garner als Western-Legende Wyatt Earp und Willis als Film-Cowboy Tom Mix. Die beiden harmonieren perfekt in dem Film, und man merkt Willis an, dass er als altmodischer Cowboy ganz in seinem Element ist. Die Sache ist nur die: Ausgerechnet dieser Typ soll alleine mit Maschinenpistole („Ho, ho, ho!“) in der Hand ein ganzes Rudel Verbrecher abmurksen? Kaum vorstellbar. Dafür ist der in seinen Komödien doch so nett!
Yippie-ya-yeah, Schweinebacke!
Es zeigt sich, dass ausgerechnet dieser Witzbold vielleicht doch keine schlechte Wahl ist für den Helden wider Willen. Zum einen gibt Willis den Durchschnittsamerikaner, der über sich hinaus wachsen darf, ziemlich sympathisch – und dabei hat er trotz Todesgefahr gerne einen lockeren Spruch auf den Lippen. Nicht zuletzt ärgert er seine Gegenspieler mit einem kultig-launigen „Yippie-ya-yeah, Schweinebacke!“ (Der Spruch klingt im Original zwar ein bisschen rüder, aber auch noch ein bisschen cooler: „Yippee ki-yay, motherfucker!“ – Samuel L. Jackson hätte seine Freude daran gehabt.) Zum anderen steckt – und das gehört zum amerikanischen Helden wohl einfach dazu – ein wenig der Cowboy in John McClane. Sagt er doch zum bösen Ober-Gangster Jack (also Hans) Gruber, dass der ihn Roy Rogers nennen darf – ein Verweis auf den Westernhelden und Countrysänger.
Ach, übrigens, von Roy Rogers stammt auch das berühmte Yippie-ya-yeah:
Eine alte Hollywood-Weisheit besagt: Stars entstehen durch Zufall. Nämlich indem ein Star eine Rolle ablehnt und damit ein Niemand eine Chance bekommt. So auch Bruce Willis: Nachdem Schwarzenegger nicht den Joe Leland geben wollte, bot das Studio den Part anderen Leinwandhelden an: Sylvester Stallone, Richard Gere, ja sogar Burt Reynolds, der noch einige Jahre zuvor zu den begehrtesten Gesichtern in Hollywood gehört hatte. Als alle diese Stars abgelehnt hatten, kamen die Produzenten auf diesen Typen aus dem Fernsehen: Willis. Leland wurde umbenannt in McClane und deutlich verjüngt. Lelands Roman-Tochter Stephanie Gennaro wurde zu McClanes Drehbuch-Ehefrau Holly Gennaro (und überlebt im Gegensatz zur Buchvorlage das Geschehen), der 22-jährige Police Sergeant Al Powell wurde etwas älter und bekam mehr Hintergrund.
McClane strahlt damit eine wohltuende Bodenständigkeit aus. Bei Stallone kann man sich vorstellen, dass der nach einem harten Tag Leute-umbringen selbst im Feierabend noch Messer schärft und Pfeile spitzt. Bei Schwarzenegger liegt es nahe, dass er abends seine Sturmgewehre auseinander nimmt und ölt. McClane dagegen… sitzt derweil auf der heimischen Couch vor dem Fernseher und genießt ein Bierchen. Der Unterschied zeigt sich schon an seinem Style: normal geschnittene Stoffhose und Feinripp-Unterhemd zur gepflegten Geheimratsecke. Wer steht Ende der 80er noch auf diesen Look? Genau, Al Bundy. McClane besiegt im Alleingang eine Reihe Gangster, Bundy schafft vier Touchdowns in einem Spiel beim Highschool-Football – ich sehe da ganz klar Parallelen!
Der Ernst und die Ironie
Der Original-Filmtitel Die hard bietet eine treffende Doppeldeutigkeit. Denn dabei geht es weniger um „hartes Sterben“, ein Die-hard ist vielmehr jemand, der nicht tot zu kriegen ist. Ein Starrkopf. In Nerd-Kreisen übrigens ein geflügelter Begriff. Schließlich wollen sogenannte Die-hard-Fans die Fortsetzungen ihrer liebgewonnenen Franchises möglichst immer so „wie früher“.
Was mir bei jeder neuen Sichtung auffällt und was ich bis zur nächsten Sichtung garantiert wieder vergessen habe, ist der Stimmungswechsel im Film: Die erste Hälfte Stirb langsam geht doch recht straff über die Bühne und steht ganz im Zeichen eines saftigen Kopfschusses und einiger eindrucksvoll platzender Blood Squibs (Filmnerds im Alter von mehr als 35 Jahren würden von handgemachten Oldschool-Effekten mit „Seele“ sprechen). In der zweiten Hälfte betreten aber einige neue Figuren die Bühne, nämlich ein großmäuliger (stellvertretender) Polizeichef und zwei FBI-Agenten, die Krieg spielen möchten. Gewissermaßen sind das Karikaturen, die den Film ein gutes Stück ironischer machen. Was nicht schlecht ist. Aber man darf sich schon fragen, was solche inkompetenten – Pardon! – Arschlöcher bei einer Geiselnahme zu suchen haben.
Die Helfershelfer
Es wäre nun aber ein bisschen zu kurz gesprungen, wenn ich den Erfolg von Stirb langsam nur dem Duo Willis / McClane zuschreiben wollte. Denn dem Helden wider Willen stehen im Kampf gegen die Verbrecher zwei fähige Helfer zur Seite. Zunächst ist Stirb langsam irgendwo auch ein Buddy-Movie: McClane holt sich per Funk die nötige moralische Unterstützung für seine Mission vom Polizisten Al Powell. Und der ist auch nach 30 Jahren noch immer eine grundsympathische Type, der keinerlei Polizeifilm-Klischees („Ich habe da mal ein Kind erschossen und kann keine Waffe mehr in die Hand nehmen.“) etwas anhaben können. Übrigens gut besetzt mit Reginald VelJohnson, der fortan auch 9 Jahre lang bei der Sitcom Alle unter einem Dach den Polizisten geben darf.
Und dann wäre da Regisseur John McTiernan. Der Mann ist ja nun leider in Hollywood in Ungnade gefallen und kriegt seit Jahren irgendwie kein Filmprojekt mehr in die Hand. Eine Schande! Die Entscheider in den Filmstudios sollten sich gefälligst noch einmal Stirb langsam anschauen, um zu sehen, wie man einen Actionfilm mit Klasse inszeniert. Es ist die schiere Masse an Details, die bei jeder Neusichtung ins Auge fällt und zeigt, wie McTiernan mit der Kamera umgehen kann. Etwa wenn Bonnie Bedelia als McClanes Frau Holly in ihrem Büro am Telefon sitzt, sich im Stuhl herum dreht und damit den Blick auf ein Familienfoto mit Mann und Kindern freigibt. Wer braucht da noch Dialoge zur Exposition? Oder das Licht-und-Schattenspiel, wenn sich McClane versteckt hält und den Überfall der Bösewichte beobachtet. Hält man einige andere Actionfilme der Zeit dagegen, dann ist Stirb langsam ein strahlendes Beispiel für Ästhetik und Eleganz.
Die Bösewichte in Stirb langsam machten wie die Helden eine nette Entwicklung durch: Der Antagonist im Buch heißt Anton “Little Tony The Red“ Gruber und ist Terrorist mit deutscher Abstammung. Die Terroristen sind übrigens auf der Jagd nach Unterlagen, die den großen Konzern – nicht der japanische Nakatomi-Konzern, sondern der Klaxon Öl-Konzern – in Verbindung bringen mit der Chilenischen Junta. Regisseur McTiernan war das alles aber zu schwermütig: Er wollte, dass der Film Spaß macht, und änderte die Terroristen in ein paar Gauner, die schlicht auf einen Raub aus sind. Es ist heute übrigens schwer vorstellbar: Der Part des gebildeten, aber gefühllosen Hans Gruber war Alan Rickmans Kinodebüt. Vorher stand der Brite vor allem auf der Theaterbühne und fiel Produzent Joel Silver in einer Broadway-Vorführung auf. Ach, und im Deutschen wurde aus dem deutschen Hans Gruber der nicht mehr ganz so deutsche Jack Gruber.
Let it snow, let it snow, let it snow
Ein vielleicht selten beachteter Verdienst von Stirb langsam spielt sich auf der Tonspur ab. Gemeint sind: bedrohlich klingende Weihnachtsglöckchen. Jawohl, das ist so gemeint, wie es hier steht. Zwar hat Komponist Michael Kamen in erster Linie einen Thrillerscore geschaffen, der über so manche einprägsame Merkmale verfügt und die gesamte Filmreihe prägen soll. Doch ist auch zu hören, dass sich die Musik an vielen Stellen nicht ganz ernst nimmt. Am offensichtlichsten ist das vielleicht am Gebrauch von Beethovens „Ode an die Freude“ zu hören. Aber die Musik trägt auch dem Zeitpunkt Rechnung, an dem im Nakatomi Plaza die Party steigt. Und das ist nun mal Weihnachten. So leitet Kamen seine Spannungsmusik mit einigen Weihnachtsglöckchen ein, die allerdings schon erahnen lassen, dass das kein frohes Fest wird.
Der Score zu Stirb langsam ist eine kleine musikalische Fundgrube. Regisseur McTiernan war ein großer Fan von Regie-Legende Stanley Kubrick und baute in seine Filmmusik kleine Referenzen an Kubricks A Clockwork Orange ein. Beethovens „Ode an die Freude“ fand zuvor auch in der Dystopie Verwendung – und war gleichzeitig gut dazu geeignet, die Stimmung in Stirb langsam aufzuhellen und zu ironisieren. An anderer Stelle klingt der alte Sinatra-Song „Singing in the Rain“ an, ebenfalls ein Verweis auf A Clockwork Orange und gleichzeitig auch auf Sinatra selbst, der bereits den Detective Joe Leland gespielt hatte. Und gegen Ende von Stirb langsam kommt dann sogar noch James Horner zum Einsatz: Wenn Al Powell wieder zur Waffe greift, erklingt im Hintergrund ein Stück aus Aliens, das dort keine Verwendung gefunden hatte und in Stirb langsam nur als Temp Track fungieren sollte – bis McTiernan so sehr daran Gefallen fand, dass er es im Film behielt.
Nichtsdestotrotz: Stirb langsam hat sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte für viele Menschen – mich eingeschlossen – zu einem Weihnachtsklassiker entwickelt. Was auch eine Leistung ist. Schließlich spielt der Film in Los Angeles, wo bekanntlich kein Schnee fällt. Doch es sind wohl der Kontrast zwischen Heiliger Nacht und blutigem Treiben sowie die wohlig düsteren Räumlichkeiten im Hochhaus, die es irgendwie heimelig werden lassen. Und nicht zu vergessen: Stirb langsam verschaffte Vaughn Monroes Version des Weihnachtsliedes „Let it snow“ einen dritten Frühling.
Weihnachtlich, aber spannend
Um noch mal den Sprung in die Neuzeit zu vollziehen: Im Jahr 2018 scheint sich der Actionfilm wieder ein bisschen gewandelt zu haben. Wenn man allseits beliebte Vertreter der Blut- und Baller-Branche wie etwa The Equalizer oder John Wick betrachtet, dann muss man feststellen: Die Dinger sind was fürs Auge, aber nichts fürs Herz. Nicht falsch verstehen, das Actionvehikel um Keanu Reeves zum Beispiel macht seine Sache ziemlich gut, wenn es darum geht, ausgefeilte Kampf-Choreographien zu präsentieren und ein sehr reizvolles Killer-Szenario mit Comic-Touch zu etablieren. (Apropos Reeves: Ist Speed ein „Stirb langsam im Bus„?) Was diese Art von Actionfilm aber nicht liefert, ist ein ganz grundsätzliches Element des Genres, nämlich der Thrill – also das Gefühl, dass es dem Helden auch an den Kragen gehen kann. Eine Grundvoraussetzung, um mit ihm mitzufiebern.
Der Blick auf die Besetzungsliste von Stirb langsam offenbart ein paar interessante Positionen. Nein, ich meine nicht so verdiente Nebendarsteller wie Paul Gleason oder Robert Davi, Hart Bochner oder William Atherton. Ins Auge sticht mir zunächst mal ein Deutscher: Wilhelm von Homburg. Oder bürgerlich: Norbert Grupe jr. Eine schillernde Gestalt, die den Weg vom Boxer auf der Reeperbahn bis zum Dämon Vigo in Ghostbusters II absolviert hat. Dazu unbedingt die Doku Der Boxprinz schauen! Dann wäre da noch Alexander (Borissowitsch) Godunow, der von Haus aus Ballett-Tänzer des Bolschoi in Moskau war. Bei einer Tournee in den USA Ende der 70er kehrte er nicht mehr in die Sowjetunion zurück und spielte unter anderem neben Harrison Ford in Der einzige Zeuge. Und dann wäre da noch der Darsteller des Argyle: De’voreaux White. Als Junge ist er in Blues Brothers zu sehen, wo er versucht, Ray Charles eine Gitarre zu klauen.
Jetzt könnte ich es mir einfach machen und sagen: Als Betrachter bin ich ebenso wie Stirb langsam 30 Jahre (28 Jahre) gealtert, habe viele, viele Actionfilme gesehen mit deutlich mehr Gewalt und bin da etwas erfahrener, also abgestumpfter. Doch ist das wirklich so einfach? Bei der Neusichtung Ende 2018 muss ich jedenfalls feststellen, dass ich – obwohl ich den Film kenne – doch wieder vor dem Treiben sitzen bleibe, ohne nebenbei durchs Internet zu surfen. Bei einem Olympus has fallen dagegen („Stirb langsam im Weißen Haus“) habe ich schon bei der Erstsichtung nebenbei die deutlich spannenderen Nachrichten gecheckt. Also scheint Stirb langsam mit seiner Action und seiner Inszenierung doch besser zu funktionieren als viele seiner Nachahmer.
McClane singt!
Vielleicht ist es auch nur die Einfachheit des Konzepts: Stirb langsam erfindet das Actionkino in den 80ern neu, weil es nicht raus geht in die Wälder wie in Rambo oder nach Südamerika wie in Phantom Kommando. Sondern weil der Film seinen Raum und seine Zeit ganz klar begrenzt auf das Nakatomi Plaza. Wegrennen ausgeschlossen.
Abschließend noch mal zurück zu Bruce Willis. Immerhin – das wird der eine oder andere gemerkt haben – ist Stirb langsam für mich eng mit dem Hauptdarsteller verbunden. Dem „Newcomer“ haftete damals etwas Besonderes an. Es war eben diese sympathische Coolness, die noch dadurch unterstützt wurde, dass Willis Ende der 80er auch eine kurze Musikkarriere startete – bei dem so legendären wie coolen Plattenlabel Motown Records. 1987 kam seine Debütplatte The Return of Bruno heraus, auf der er einige Klassiker aus der Soul- und R&B-Sparte präsentiert. Willis singt da hübsch heiser und offensichtlich mit Spaß an der Sache. Was das Album nur noch gelungener macht. Übrigens soll zwei Jahre später noch eine zweite Platte folgen.
Die Zeiten ändern sich. Nicht!
Seinen Höhepunkt erreicht Willis sicherlich im folgenden Jahrzehnt. Nobody´s Fool, Pulp Fiction, Last Man Standing, Twelve Monkeys, The Fifth Element, The Sixth Sense (er hat´s mit Zahlen)… Die Rollen, die er verkörpert, zeigen: Er wagt sich auch auf fremdes Terrain abseits seines Action-Images und hat Bock aufs Schauspielen. Was etwa drei Stirb langsam-Fortsetzungen und bis in die 2010er anhält. Aber je kahler der Schädel wird, desto müder erscheint Willis. Sowohl bei der Rollenauswahl als auch beim Schauspiel. Im Jahr 2013 ist ausgerechnet mit dem fünften Stirb langsam der Tiefpunkt erreicht. Dann, im Jahr 2018, spielt Willis sogar in einem Remake von Ein Mann sieht rot die Hauptrolle. Also in der Art Film, die in den 70ern und 80ern noch für das „alte“ Actionkino steht und von Stirb langsam überrollt wird.
Warum ich den Werdegang so durchdekliniere? Ganz einfach: Die Zeiten ändern sich vielleicht. Jeder wird älter, das Kino liefert andere Filme als damals (nicht zwingend schlechtere, bitte nicht missverstehen). Doch der erste Stirb langsam bleibt unberührt – und auch Willis wird immer ein klein wenig McClane sein. In dem Sinne: Ho, ho, ho! Und frohe Weihnachten!
Eine großartige Liebeserklärung an „Stirb Langsam“.
Beim Lesen deines Textes sind mir so einige Gedanken durch den Kopf geschossen.
Ich fang mal von hinten an. Das Schlusslied „Let It Snow“ ist ebenfalls eine Anspielung auf „Frank Sinatra“.
Beim Thema Komödie und Cowboy denke ich eher an spätere Willis-Werke wie „Keine Halben Sachen“ und „Last Man Standing“.
Schwarzenegger und Stallone sind keinesfalls humorlos in ihren Filmen. Deren sogenannte „One Liner“ sind oft geprägt von Zynismus und Sarkasmus:
Zum Beispiel in die „City Cobra“. Der Bösewicht sagt: „Ich bin der Held, der Held der neuen Welt.“ – Stallone antwortet: „Du bist eine Krankheit und ich die Medizin.“
Oder 1988 in „Rambo III“, als man sich mit einer russischen Übermacht konfrontiert sieht fragt Colonel Trautman: „Was nun, John?“ und Stallone entgegnet: „Umzingeln wird wohl nicht funktionieren.“
Interessant deine Ausführungen zum Thema, wenn Starschauspieler Filmrollen ablehnen.
In einem der Audiokommentare zu „Das Model und der Schnüffler“ erzählt Bruce Willis wie gelegen ihm die Schwangerschaft von Serienpartnerin „Cybill Shepard“ kam.
Durch diese Zwangspause konnte er für „Stirb Langsam“ zusagen, nachdem er im Jahr zuvor die Hauptrolle in „Lethal Weapon“ ablehnen musste. Den Part besetzte letztendlich „Mel Gibson“.
Stirb Langsam war 1988 in den Kinos ein eher mäßiger Erfolg. Zum echten Hit wurde er erst im Heimkino. Du kannst dir gerne die Zahlen bei BoxOfficeMojo ansehen.
Zum Schauspiel kam Bruce Willis, weil er als Kind stotterte. In der Theatergruppe seiner Schule konnte er diesen Sprachfehler dann überwinden.
Seine große Leidenschaft ist wie schon von dir erwähnt die Musik. Das wird besonders beim Film „Hudson Hawk“ deutlich. Es war dies auch die Zeit in der er das „Stirb Langsam“-Action Image ein Stück weit von sich abschütteln wollte.
Nach seinen Hits „The Sixth Sense“ und „The Whole Nine Yards“ (er hat’s tatsächlich mit Zahlen) gelang ihm mit Stirb Langsym 4.0 im Jahre 2007 sein letzter Kinohit.
Außer Stallone landet keiner unserer Action-Heroes der 80er und 90er noch große Erfolge.
Wir leben im Kinozeitalter der Comic-Helden. Oberflächlichliches PG 13 Actionkino mit viel Effekten aber ohne inhaltliche Tiefe. -> Weichspülerkino
Hallo Marcel,
vielen Dank für die Blumen. Das freut mich sehr, wenn dir der kleine persönliche Rückblick gefällt und auch zu eigenen Überlegungen anregt.
Kino funktionierte in den 80ern in wirtschaftlicher Hinsicht sicherlich noch ein bisschen anders. Zwar hatte das sogenannte Blockbuster-Kino bereits die Herrschaft übernommen, aber die Filme hatten damals noch mehr Zeit, ihr Geld auch wieder einzuspielen. Stirb langsam fällt ja noch in diese Zeit. Wobei das Konzept – wie man hier im Blog lesen kann – viele Nachahmer gefunden hat. Ich kann mich noch an eine Anekdote (ich meine, aus dem Spielberg-Buch von Andrew Yule) zu Sudden Death erinnern: Der Film war bei weitem nicht so erfolgreich, wie es das Studio erhofft hatte. Und man war völlig ratlos, woran das denn gelegen haben mochte, schließlich hatte man viel mehr Geiseln im Film gehabt als Stirb langsam, so die Denke der Produzenten. 😉
Es gibt – als kleinen Lesetipp – in William Goldmans Hollywood-Buch (http://thehowlingmen.de/william-goldman-von-comicheft-und-hurenfilmen/) ein eigenes Kapitel darüber, wie Stars entstanden sind, weil andere Stars bestimmte Rollen abgelehnt hatten. Sehr interessant…
Die Entwicklung, die Bruce Willis genommen hat, finde ich übrigens sehr schade. Als jemand, der bei so ziemlich jedem seiner Filme in den 90ern im Kino gewesen ist (Hudson Hawk – tolle Gesangseinlagen), habe ich ihm wirklich lange die Treue gehalten. Die hard 4.0 fand ich sogar sehr gut, Looper war ein letzter Achtungserfolg. Aber beim fünften Die hard habe ich mich gefragt, was alle Beteiligten da geritten hat…