Terminator: Dark Fate war angetreten mit dem Anspruch, alles richtig zu machen. Und was macht er tatsächlich? Fast alles falsch. Eine kleine Betrachtung zu Sequels, Remakes und Verträgen zwischen Filmemachern und Publikum.
Neulich im Kino um die Ecke: Da knistert und blitzt es, eine leuchtende Kugel erscheint mitten in der Luft, es macht WUMMS und BRITZEL, und jemand fällt zu Boden. Unbekleidet wohlgemerkt. Kurze Zeit später wiederholt sich das Spielchen, womit sich die Nackten-Quote auf 2 erhöht. Doch beide sind nicht nur nackt, sondern gucken auch höchst grimmig – und beide kommen aus der Zukunft. Der eine Jemand ist ein Mensch und soll eine junge Frau beschützen. Der andere Jemand ist eine Maschine und soll besagte Frau töten. Weil: Die ist nicht ganz unwichtig für einen künftigen Krieg der Menschen gegen die Maschinen. Nukleare Apokalypse und so, man kennt das ja. Also wird fortan viel geflüchtet, vor allem per Auto, Truck und Hubschrauber. Das alles kommt irgendwie bekannt vor? Klar, Terminator! Aber nicht Terminator 1, auch nicht 2, nein, auch nicht 5, sondern Terminator 6: Dark Fate. Wobei die Zählweise nicht ganz richtig ist, aber dazu später.
Terminator 1 ist ein Kultfilm. Terminator 2 ist auch ein Kultfilm, ungleich teurer und ungleich erfolgreicher. Der neueste Film im Terminator-Reigen ist den beiden inhaltlich nicht ganz unähnlich, nur ist er weder ein Kultfilm, noch ist er sonderlich erfolgreich. Schlimmer noch: Er mausert sich derzeit zu einem recht kapitalen Flop. Er wird sogar als Todesstoß für das Franchise gehandelt. Hasta la vista, Terminator! Dabei hat man eigentlich alles getan, damit das nicht geschieht: Man holte Arnold Schwarzenegger an Bord und Linda Hamilton, also die Ur-Sarah Connor, aus dem Ruhestand. Man verpflichtete Tim Miller als Regisseur, der sich mit Deadpool und der Serie Love, Death & Robots zu einem kleinen Fanliebling gemausert hat. Und – Tusch! – man bekam sogar Terminator-Schöpfer James Cameron höchstselbst dazu, den Film zu produzieren. Rein theoretisch also alles (vieles) richtig gemacht. Und dann das! Wie konnte das passieren?
Sequel ist auch Weiterentwicklung
Terminator: Dark Fate unterliegt zunächst mal einem Missverständnis. Denn seine Macher sehen ihn als direktes Sequel der ersten beiden Teile. Die drei Versuche, die dazwischen liegen, ignoriert er kurzerhand. Die Sache ist nur die: Dark Fate ist rein formell kein Sequel. Eine Fortsetzung heißt Fortsetzung, weil die Helden ihr fiktives Leben innerhalb ihres eigenen Filmkosmos fortsetzen. Das bringt zwangsläufig mit sich, dass sich die Geschichte weiterentwickelt. Denn wie wahrscheinlich ist es, dass dem gleichen Menschen die gleiche Sache wieder und wieder passiert? – Äh, ok, doofe Frage. Aber wenn man es genau nimmt, dann stellt ein Sequel seine Macher vor eine kreative Herausforderung: Sie sollen dem ureigenen Feeling, dem Spirit, der Seele, der Formel – oder wie man es auch immer nennen will – des Originals treu bleiben. Aber sie müssen dem Bekannten auch etwas Neues hinzufügen.
Was eigentlich so schrecklich logisch klingt – es wird immer wieder gerne missachtet. Denn zugegeben, es ist auch nicht ganz einfach. Terminator 1 hatte eine abgeschlossene Handlung: Am Ende war der Terminator zerstört, Sarah Connor war gerettet, trotzdem – und das passte im Orwell-Jahr 1984, als Terminator in die Kinos kam, bestens zum Zeitgeist – war die nukleare Apokalypse unausweichlich. Linda Hamilton brach Richtung Mexiko auf, in dem vollen Bewusstsein, den künftigen Anführer der Menschen auf den Krieg gegen die Maschinen vorbereiten zu müssen. Terminator 2 stand damit vor der Aufgabe, vor dem viele Sequels standen: Er musste eine neue Handlung an das Ende stricken. Und das geht nur, indem man dieses Ende für null und nichtig erklärt. James Cameron machte das ganz gut. Zwar wiederholte er die bekannte Geschichte im Wesentlichen, drehte aber die Figurenkonstellation auf Links, brachte John Connor ins Spiel und gab den Protagonisten die Aufgabe, die Apokalypse abzuwenden.
Was macht einen Menschen aus?
Cameron hat sich dabei nicht zu weit vom Original entfernt, aber seinen Film mit reichlich neuen Schauwerten und nicht zuletzt mit einer deutlich positiveren Message aufgeladen. Das Leben im Terminator-Kosmos setzte sich fort. Der Terminator, also die seelenlose Killermaschine aus dem ersten Teil, durfte sogar auf ihr eigenes Wesen Bezug nehmen: Wir sehen, dass sie mehr ist als eine Maschine, nämlich dass sie lernen kann und hinterfragen, was einen Menschen überhaupt ausmacht.
Terminator: Dark Fate gibt sich nun reichlich Mühe, diese ganze Nummer noch mal durchzudeklinieren. Der Film ist so bemüht, sich nicht vom Kult der ersten beiden Teile zu entfernen, dass er in der ersten Hälfte eigentlich nicht mehr als eine Kopie von Terminator 2 liefert. Die einzigen Unterschiede: Die böse Maschinen-Intelligenz heißt nicht mehr Skynet, sondern Legion, und der menschliche Heilsbringer John Connor wurde in die Heilsbringerin Dani Ramos geschlechtsgewandelt. Damit ist der Film per Definition kein Sequel, sondern bestenfalls ein Remake, streng betrachtet sogar nur eine Wiederholung. Das führt zu einem Paradoxon: Der Terminator scheint seit seinem ersten Erscheinen vor 35 Jahren in einer merkwürdigen Zeitschleife gefangen zu sein. Alle paar Jahre tauchen Reisende aus der Zukunft auf, schwafeln etwas von Schicksal und folgen vertrauten Handlungs- und Zerstörungsmustern. Fehlt eigentlich nur, dass Bill Murray erscheint und etwas von einem Murmeltier deliriert.
Wiederholung verspricht Erfolg
Doch erklärt das nun den krachenden Misserfolg von Terminator: Dark Fate? Jein. Denn so ein selbstreferenzieller Homunkulus von Film funktionierte in den vergangenen Jahren eigentlich ganz gut. Das beste Beispiel dafür dürfte Star Wars: Das Erwachen der Macht sein. Der Film bildete zwar den Auftakt zu einer Sequel-Trilogie, die 30 Jahre nach der sechsten Episode Die Rückkehr der Jedi-Ritter spielt. Aber er lieferte keine Forterzählung, sondern lediglich eine inhaltliche Variation des Ur-Star Wars Eine neue Hoffnung, Grabenflug inklusive. Das Imperium heißt nun Erste Ordnung, die Rebellion schimpft sich ganz frankophil Resistance, aber das ist es auch eigentlich schon. Wie sehr der Film ein Quasi-Remake und keine Fortsetzung sein wollte, zeigte sich schon am Titel, der auf den Zusatz „Episode VII“ verzichtete. Ergebnis der aufgewärmten Skywalker-Saga: 2 Mrd. Dollar Einspiel.
Jurassic World machte es ähnlich. Der Film wiederholte die Panik-im-Park-Idee des ersten Films Jurassic Park, Kinder mit Kinderproblemen inklusive. Er machte sogar noch eine Meta-Ebene auf: Die Parkbetreiber im Film wussten, dass schnöde Dinosaurier allein keinen Menschen mehr begeistern. Also schufen sie ein gefährlicheres Reptil, als es der T-Rex bislang gewesen war. Die Macher des Films wiederum wussten, dass sie mit einem schlichten vierten Teil der Reihe keinen Kinozuschauer mehr hinter dem Ofen hervorlocken würden Also haben sie, nun ja, eine gefährlichere Bedrohung im Film geboten, als es zuvor der T-Rex gewesen war. Aber alles andere blieb gleich. Diese kreative Leistung wurde mit einem Box Office von knapp 1,7 Mrd. Dollar belohnt.
Der kommunikative Vertrag mit dem Publikum
Schauen wir also mal genauer hin, warum Dark Fate so ein düsteres Schicksal erleidet. In der Filmtheorie existiert der Begriff des „kommunikativen Vertrags“. Geprägt hat ihn der italienische Filmwissenschaftler Francesco Casetti. Der gute Mann hatte seine Theorie rund um solche Verträge ursprünglich auf die Wahrnehmung von Filmgenres bezogen: Wenn sich das Publikum einen Genrefilm anschaut, weiß es in etwa, was es zu erwarten hat – Action, Krieg, Horror, Science-Fiction, Western, Liebe etc. Wenn ein Filmproduzent einen Genrefilm produziert, baut er darauf, dass etwas, das schon mal funktioniert hat, wieder funktioniert – Action, Krieg, Horror, Science-Fiction, Western, Liebe etc. Ein Genrefilm steht also für einen bestimmten Handlungsrahmen, ein bestimmtes Handlungsmuster und damit auch für eine bestimmte Erwartungshaltung bei den Beteiligten. Ein Film Noir zum Beispiel läuft halt so – oder so ähnlich – ab, wie er nun mal abzulaufen hat. Und wer eine Schwäche für den Film Noir hat, der wird auch mal ein Auge riskieren.
Publikum und Filmemacher kommen also zu der Übereinkunft, was denn bitteschön ein Genrefilm zu liefern hat, damit beide Seiten zufrieden sind – sie schließen einen Vertrag. Dieser kommunikative Vertrag beinhaltet übrigens die Klausel, was innerhalb des zu verhandelnden Genres glaubhaft ist und was nicht. Insofern lässt sich das Vertragsmodell auch recht gut auf das Sequel übertragen: Der Vertrag wird über den ersten Film geschlossen. Der legt fest, wie die Welt aussieht, in der er spielt, er bestimmt die wesentlichen Handlungsmuster und auch die Konstellationen und Charaktereigenschaften der handelnden Figuren. Der erste Teil tut sogar noch mehr: Er gibt die Regeln für Konflikte und ihre Lösungen vor. Filmfans würden davon sprechen, dass der erste Teil einer Filmreihe die „Magie“ oder „Seele“ besitzt, die sie sich auch vom Sequel wünschen. Nüchtern betrachtet bringt der erste Teil jedoch „nur“ die richtigen Plot-Bausteine zusammen und reichert sie mit einer neuen – oder auch alten – Idee an.
Das enge Handlungskorsett
Bei Star Wars war das die klassische Fahrt des Helden mit den Archetypen der großen Volksmärchen, angereichert mit Weltraum-Action und der Macht. Bei Harry Potter war es die, äh, nun ja, die Fahrt des Helden mit den Archetypen der großen Volksmärchen, angereichert mit einer Zauberschule und ein paar Muggeln. Terminator fasste diesen Rahmen in den 80er Jahren etwas enger: zwei Zeitreisende, der eine unbesiegbar, eine Damsel in Distress, ein Krieg in der Zukunft, Elemente von Flucht und Road-Movie, Überfall auf eine öffentliche Einrichtung, und am Ende wird der Böse nicht einfach erschossen, sondern landet in einer Maschine, die ihn endgültig „terminiert“. Geschichte auserzählt. Fin. Das ist nicht einfach nur ein Szenario, in dem irgendwas passieren kann, sondern ein ziemlich enges und einzigartiges Handlungskorsett, in dem etwas zu passieren hat.
Der Vertrag gibt nun vor, dass ein Sequel dem Zuschauer eine Filmwelt eröffnet, die er bereits aus dem ersten Teil kennt. Das muss übrigens keine „organische Weiterentwicklung“ sein, wie sie auch bei den neuen Star Wars-Filmen nicht stattgefunden hat. Es reicht, wenn man eine ähnliche Hauptfigur oder eine ähnliche Ausgangssitation bietet – siehe James Bond, Stirb langsam (1 bis 4, nicht 5) oder diverse Horror-Franchises wie Final Destination und Saw. Das Schöne für das Publikum dabei: Der Zuschauer bringt ein gewisses Vorwissen mit, was er in etwa zu erwarten hat. Er kennt die Figuren und er kennt die kleinen selbstreferenziellen Anspielungen, also die Running Gags, etwa wenn James Bond seinen Martini geschüttelt, nicht gerührt haben will oder wenn Roger Murtaugh darüber meckert, dass er zu alt ist für den Sch… Mist, zu alt für den Mist.
Das Publikum wird also in seinen „Werten“, die es bereits im ersten Film gefunden hat, erneut bestätigt und fühlt sich wohl. Das gleicht gewissermaßen einem Nach-Hause-kommen im Film. Und daheim im Film wartet die Film-Familie, zum Beispiel die, die in den bislang acht Fast & Furious-Episoden so beschworen wird. Wir erinnern uns alle an den Trailer zu Das Erwachen der Macht und den Spruch von Han Solo, als er noch lebte: „Chewie, wir sind zu Hause.“ Das wird umso deutlicher im Kontrast zu der heiß diskutierten Star Wars-Prequel-Trilogie: George Lucas erzählte seine Geschichte dort wirklich fort und wiederholte sie nicht. Erzählerisch war das ehren- und eigentlich auch wünschenswert, es nahm dem Publikum allerdings den vertrauten Bezugsrahmen. Das war ein Bruch des Vertrages, der mit der ersten Trilogie einst geschlossen worden war.
Der mehrfache Vertragsbruch
Was nun die Terminator-Filme angeht: Die haben gleich mehrfach Vertragsbruch begangen, und die Produzenten merken es irgendwie nicht. Dieser Vertragsbruch betrifft zunächst mal die Serie selbst: Teil 3 (also der „alte“ Teil 3, Rebellion der Maschinen) folgte in etwa dem Muster seiner Vorgänger, Running Gags inklusive, man erinnere sich an die Sonnenbrille oder die Verfolgungsjagd mit dem Kranwagen anstelle eines Trucks. Er fiel nur nicht mehr ganz so düster aus wie die Vorgänger. Und er drehte das Ende von Teil 2 wieder zurück auf Apokalypse. Also Vertragsbruch 1. Die Produzenten dachten aber wohl: Da geht noch mehr! Also taten sie das, was sich die Fans eigentlich gewünscht hatten, und ließen Teil 4 in der Zukunft spielen, jetzt wieder reichlich düster und humorbefreit. Nur merkten Fans und Produzenten erst hinterher: Ach, du meine Güte, wir haben ja keine Zeitreise mehr und auch niemanden, den es zu beschützen gilt. Arnold Schwarzenegger auch nicht. Wo ist das alte Feeling? Also Vertragsbruch 2.
Teil 5 nahm sich den Vertragstext – wir befinden uns inzwischen 31 Jahre nach dem Erstling – noch mal genauer vor und ging gleich in die Vollen: Er kopierte komplett den Anfang des Ursprungsfilms mit reichlich Wiedererkennungseffekten, einem jungen Arnold Schwarzenegger inklusive. Nur leider verfing er sich danach in einem wilden Zeitreise-Wirrwarr mit völlig gigantomanischen Actioneinlagen und schrieb den Vertrag in Sachen Figurenkonstellation, Charaktereigenschaften, Konflikt und Konfliktlösung komplett um. John Connor wurde sogar selbst zur Maschine. Was einmal eine recht lineare „Wir flüchten vor dem Robo“-Story gewesen war, pendelte plötzlich zwischen den Jahren 2029, 1984 und 2017 und wirkte wie eine Parallelwelt-Geschichte zur bekannten Terminator-Welt. Der Zuschauer kam nicht mehr nach Hause, sondern ging verloren in der Zeit. Also Vertragsbruch 3.
Was dabei übrigens nicht sonderlich hilfreich war: In den Jahren 2008 bis 2009 lief mit den Sarah Connor Chronicles bereits eine Serie im Fernsehen, die ihrerseits Teil 3 ignorierte und die Handlung von Teil 2 per Zeitsprung nach vorne (nicht nach hinten) aus dem Jahr 1999 ins Jahr 2007 fortsetzte. So nett die Serie für sich war: Etwas verwirrend war das Ganze schon und zu Ende erzählt wurde es nicht – so wie bereits Teil 4 und Teil 5 auch nicht zu Ende erzählt wurden, obwohl sie doch jeweils eine ganze Reihe neuer Filme nach sich ziehen sollten. Alles klar soweit?
Die Hauptzutaten landen im Müll
Nun also Terminator: Dark Fate, der sechste Teil, der eigentlich der dritte sein will, den zweiten Teil fortsetzt, aber so integrale Bestandteile wie John Connor und Skynet sofort am Anfang auf die Ideen-Müllhalde wirft. Allein wenn man sich die Reihe an Vertragsbrüchen im Laufe der Jahre anschaut, könnte man den Grund nennen, warum niemand mehr diesen neuen Beitrag zur Terminator-Reihe sehen will. Man stelle sich vor, die Macher hinter dem Marvel Cinematic Universe wären mit ihrer Filmreihe ähnlich verfahren und hätten nach dem ersten Avengers einen dritten Iron Man präsentiert, der die Geschichte wieder auf Null setzt und dabei nur den ersten Teil kopiert, aber Pepper Potts und Jarvis gleich zu Beginn für tot erklärt. Der Eisenmann wäre heute Altmetall, genau das, was der Killer-Robo aus der Zukunft tatsächlich ist.
Rein formell halten sich James Cameron und Tim Miller mit Dark Fate weitgehend an den vor 35 Jahren geschlossenen Vertrag. Nur um das noch mal zu rekapitulieren: Es gibt wieder zeitreisende Killer und Beschützer mit leicht größerem Waffenarsenal als beim letzten Mal. Es gibt eine Erlöserin, eine böse KI, eine Verfolgungsjagd per Truck und den Überfall auf eine öffentliche Einrichtung, in diesem Fall kein Polizeirevier und keine Nervenheilanstalt, sondern ein Flüchtlings-Auffanglager der amerikanischen Bundespolizei. Sogar Arnold Schwarzenegger ist wieder dabei als T-800, nicht als gealterter Paps (siehe Teil 5), sondern als gealterter Carl. Und eben Linda Hamilton. Und, nicht ganz unwichtig: Die Filmmusik greift wieder stärker auf das alte Terminator-Thema von Brad Fiedel zurück.
Der Terminator dreht frei
Solange sich Terminator: Dark Fate an den Vertrag hält und lediglich Bekanntes variiert, ist er sogar ganz unterhaltsam. Doch spätestens zur Filmhälfte, wenn die existierenden Versatzstücke durchgespielt sind, da… ja, da dreht er völlig frei. Arnold Schwarzenegger taucht auf als bekannter Terminator, nur hat der plötzlich ein Leben als Familienvater und Innendekorateur und sogar tief in seiner KI so etwas wie ein Gewissen. Sofern man diese absurde Drehbuch-Volte akzeptiert, könnte man sie sogar als große Chance begreifen. Denn da könnte erneut die Frage aufgeworfen werden, was den Menschen eigentlich ausmacht und inwiefern eine Künstliche Intelligenz überhaupt noch vom menschlichen Geist unterscheidbar wäre. Doch der Film nutzt das für – nichts. Rein gar nichts, denn danach geht es zur nächsten Actionetappe, und Arnold redet lieber über Gardinen als über seine „Lebens-Erfahrungen“.
Der Film zaubert dann plötzlich einen Air Force-Offizier aus dem Hut, der eine Geheimwaffe präsentiert und unsere Heldentruppe irgendwie in eine militärische Frachtmaschine bugsiert. Natürlich führt das zu ein paar größenwahnsinnigen Actioneinlagen, die in einem Flugzeugabsturz münden, natürlich nicht irgendwo, sondern direkt über einem Stausee. Es geht rein ins Wasser, wieder raus aus dem Wasser, rein in ein Wasserkraftwerk, das als „Kill Box“ für den bösen Terminator fungieren darf, der am Ende mit vereinten Kräften nicht in einer Presse und auch nicht in einem Schmelzofen, sondern in einer offenen Turbine endet. Mit anderen Worten: Es reiht sich ein hanebüchener Einfall an den nächsten, der weit über das Vertragswerk des ersten Films hinausgeht.
Und wenn der Film am Ende noch mal einen finalen Blick auf Arnolds blanken Roboterschädel gewährt, nur um ein bekanntes Bild zitieren zu können, dann zeigt das umso mehr, wie sehr Dark Fate mit Versatzstücken hantiert, ohne wirklich zu wissen, was er da tut.
Scorsese hat nicht ganz Unrecht
Die kleine Ironie dabei, doch das nur am Rande erwähnt: Mit der Handlungsabfolge „Terminator-Kopie in der ersten Hälfte, freidrehende Gigantomanie in der zweiten Hälfte“ ist Dark Fate weniger ein Sequel oder ein Remake der ersten beiden Filme, sondern folgt vielmehr dem Muster des fünften Teils Genisys. Ob Miller und Cameron das bewusst war?
Terminator: Dark Fate macht vielleicht am besten deutlich, wo die Kino-Franchise-Maschine im Jahr 2019 gelandet ist. Das klingt jetzt zwar etwas arg negativ, aber mit einem Geschichtenerzählen im klassischen Sinne hat das nichts mehr zu tun. Und genau das ist eigentlich der ganz ursprüngliche Vertragsgegenstand, der einmal zwischen Filmschaffenden und Publikum im Unterhaltungskino geschlossen worden war: einfach eine Geschichte zu erzählen. Hier nun wird Versatzstück an Versatzstück gereiht. Martin Scorsese hatte unlängst genau das kritisiert: Filme sind perfekte Marketingprodukte geworden, sagte er, die für den unmittelbaren Konsum produziert worden sind. Es fehlt ihnen jedoch die Vision eines Künstlers. Scorseses Kritik galt den Filmen aus dem Hause Marvel / Disney. Vermutlich hatte er Terminator: Dark Fate gar nicht erst wahrgenommen…