Meine Batman-Geschichte mit Joel Schumacher ging bislang so: Schumacher hat zwei Batman-Filme gedreht – einen guten und einen schlechten. Der schlechte war Batman & Robin. Bleibt also Batman Forever, der gute. Dachte ich zumindest und war kürzlich ziemlich überrascht, negativ wie positiv.
Und es begab sich zu einer Zeit … da gab es eine Superhelden-Welle im Kino. Gemeint ist eine Superhelden-Welle vor der aktuellen Superhelden-Welle. Ja, sogar eine Superhelden-Welle vor der Superhelden-Welle, die vor der aktuellen war. Sprich: Es gab die 90er. Und es gab Batman. Zugegeben, den gibt es noch immer. Aber damals, da war Batman irgendwie… naja, irgendwie anders. Wir erinnern uns: Tim Burton hat gerade mit seinen beiden Adaptionen des Dunklen Rächers einen riesigen Erfolg verbucht und gezeigt, dass das Genre düster und ernst kann. Auch wenn seine Filme noch sehr comicmäßig anmuten, aber das ist in Ordnung, denn aus heutiger Sicht befinden wir uns in der Superheldenfilm-Frühzeit. Doch dann, im Jahr 1995, kommt Joel Schumacher, und mit ihm kommt Batman Forever. Und dieser Film ist etwas, das es heute am laufenden Band gibt: Er ist ein Reboot.
Batman Forever ist nicht düster. Batman Forever ist quietschbunt. Er ist humorig bis an die Grenze der Albernheit und geradezu hysterisch. Keine Kulisse, die nicht farbig angestrahlt ist, keine Kameraeinstellung, die nicht schräg angewinkelt wird. Keine Minute, die nicht von einer aufgekratzten Musik unterlegt ist, und kein Schauspieler, der nicht irgendwie in die Kamera grimassiert. Im angelsächsischen Bereich bezeichnet man das Ganze wohlwollend als „campy“, also als etwas, das absichtlich stark übertrieben ist. Und „übertrieben“ ist für Batman Forever eigentlich kein Ausdruck. Was das Studio mit dem gefühlten Richtungswechsel bezweckt, dürfte klar sein: Bei Burton wurde es den Produzenten zuletzt doch etwas zu morbide. Das Franchise soll nun wieder massentauglicher werden. So bewegt sich Batman Forever irgendwo im Spannungsfeld zwischen Kinderunterhaltung und Parodie. Und man muss ihm zugute halten: Er tut dies ganz bewusst, nämlich in der Tradition der Batman-Serie aus den 60er Jahren.
Neonfarben und Radlerhosen
Die Serie ist in mehrfacher Hinsicht prägend. Für das Genre im Allgemeinen und für Batman im Speziellen. Sie präsentiert ihren Flattermann nicht als Einzelgänger, sondern im Gespann mit seinem Helfer Robin – als alliterierendes Dynamisches Duo. Und sie zeichnet sich durch ein hohes Maß an Selbstironie aus. Adam West als Batman verfügt über zahlreiche Gadgets, die alle mit der augenzwinkernden Vorsilbe „Bat“ beschriftet sind. Quasi wie eine Mischung aus James Bond und Merchandise-Maschine. Und Burt Ward als Robin darf das Geschehen mit Sätzen kommentieren, die grundsätzlich mit „Heilige …“ beginnen (nein, nicht „Heilige Sch…“, das ist eine anständige Show). Die Serie treibt das Spiel mit der Selbstironie sogar so weit, dass sie die Meta-Ebene aufmacht: Die Beschreibungen von Geräuschen, die im Comic ins Bild gemalt sind, werden hier direkt in die Szenen geschnitten. Haut Batman jemanden KO, kriegt der Zuschauer einen fettes „BAMM!“ zu sehen.
Ganz so weit geht Batman Forever zwar nicht. Aber er leiht sich doch die eine oder andere Idee. Neben Val Kilmer als Batman betritt Chris O’Donnell als Robin die Bühne. Und der darf auch zuverlässig an einer Stelle „Heiliges rostiges Metall, Batman.“ sagen. Mit der neuen Überdrehtheit passt Batman Forever auch bestens in seine Zeit: Kreischige Farben, Neon-Optik und Partystimmung mit albernen Klamotten gehören irgendwie zur Dancefloor- und Techno-Partyszene der 90er dazu. So sieht man nicht nur knallig beleuchtete Kulissen. Da schieben sich auch Komparsen mit giftig leuchtenden Dreadlocks durchs Bild und da ist sogar mal eine enge Radler-Hose in den Straßen von Gotham zu sehen. Hinzu kommt der Joel Schumacher-Faktor: Dem reicht es nicht, Batman im Kostüm zu zeigen. Nein, es setzt vielmehr Großaufnahmen von Batmans Hintern im engen Latex und von Robins Nippeln im Fetisch-Kostüm.
Ein „touch too much“
Kurzum: Batman Forever bietet von allem irgendwie einen „touch too much“ und fordert vom heutigen Zuschauer etwas Geduld. Dass „mehr“ nicht unbedingt „besser“ ist, zeigt sich auf geradezu tragische Weise an den beiden Bösewichtern des Films: Tommy Lee Jones hat zwei Jahre zuvor in Auf der Flucht einen unerbittlichen Bluthund gespielt und damit späten Oscar-Ruhm geerntet. Doch was ist die Belohnung? Bei Batman darf sich das grummelige Knittergesicht in ein kitschiges Kostüm zwängen und als Superschurke Two-Face chargieren. Jim Carrey dagegen, der gerade als Mensch gewordenes Duracell-Häschen Ace Ventura seinen Durchbruch erlebt hat, könnte als irrer Riddler eigentlich so richtig aufdrehen. Doch wirkt er in seinem ebenfalls kitschigen Kostüm unter einer dicken Schicht Schminke irgendwie gehemmt. Vielleicht lag es auch daran, dass er und Jones sich nicht mochten.
- Dr. Meridian: „Er [Two-Face] ist völlig durchgeknallt.“ – Batman: „Ist das ein Fachausdruck?“
- Dr. Meridian: „Was ist denn nur so anziehend an den falschen Männern? In der Schule waren es die Jungs mit Ohrringen, die Kerle vom College hatten Motorräder und Lederjacken. Und neuerdings sind es Männer in schwarzem Gummi.“ – Batman: „Nehmen Sie einen Feuerwehrmann. Ist leichter auszuziehen.“
- Riddler: „Rätseln ist lustig, rätseln ist fein. Wer fängt die menschliche Fledermaus ein?“
- Riddler: „Wieso hast du mich nicht über die Aktion informiert? Wir hätten sie organisiert, geplant. Was allein die Filmrechte gebracht hätten…“
- Two-Face: „Der eine wird als Held geboren und sein Bruder als Feigling. Babys verhungern, Politiker werden immer fetter, Heilige sterben den Märtyrertod und Junkies bevölkern unsere Straßen. Wieso, wieso, wieso, wieso, wieso, wieso? Schicksal, blindes, dummes, armes, ach so, ahnungsloses Schicksal!“
- Dr. Meridian: „Haben Sie einen Vornamen, oder soll ich Sie einfach Bat nennen?“
- Riddler: „Das ist dein Hirn in Dosenformat. Das ist meins in Dosenformat. Und wer den Dosenöffner hat, hat gewonnen!“
- Batman: „Sie wollen doch nicht etwa unter mein Cape, Doctor?“ – Dr. Meridian: „Eine Frau kann nicht allein von Psychosen leben.“ Batman: „Dann ist es der Wagen. Frauen lieben ein Auto.“
Der Zahn der Zeit
Ich hatte Batman Forever eigentlich als den Schumacher-Batman in Erinnerung, der bei aller Albernheit doch noch „sehr ok“ ist. Bei dem die Übertreibung noch das richtige Maß findet, bevor beim Nachfolger Batman & Robin alles aus dem Ruder läuft. Doch der Zahn der Zahn hat arg an dem Streifen geknabbert. Die verfilmte Maßlosigkeit ist umso überraschender, als dass Schumacher rund um seine beiden Batmans zwei recht bodenständige Grisham-Adaptionen gedreht hat, nämlich Der Klient und Die Jury.
Ein paar Dinge machen Batman Forever dann aber doch sehr interessant aus heutiger Sicht: Erstens versprüht das Ding für alle, welche die 90er erlebt haben und sich auch noch erinnern können, eine ordentliche Portion Nostalgie. Mehr noch: Batman Forever geht beinahe schon als Zeitdokument durch mit seiner Besetzung und auch seiner Machart. Man erlebt altmodischen Modellbau und leicht erkennbare Matte Paintings neben genauso leicht erkennbaren frühen CGI. Da gibt es eine „gemalte“ Totale von einem Zirkus vor Stadtkulisse, die man am liebsten auf Standbild schalten möchte, so hübsch künstlich-retro sieht das alles aus.
Der Daten-Highway und das Kino
Der zweite Punkt – und der ist ungleich interessanter – hat ausgerechnet mit der Story des Films zu tun: Batman Forever handelt davon, dass der Riddler eine Maschine erfunden hat, die es ihm erlaubt, über jedes Fernseh-Gerät die Gedanken der Zuschauer „abzusaugen“ und ihr Wissen „aufzusaugen“. Mit anderen Worten: Er kann sie virtuell ausspionieren. Im Gegenzug schickt er ihnen Bilder in 3D direkt hinter die Netzhaut. Und jetzt kann man fragen: Kommt uns das alles nicht irgendwie bekannt vor? Wie gesagt: Batman Forever startet 1995 in die Kinos und damit in einem spannenden Abschnitt des Medienzeitalters. In Gotham mag vielleicht noch das Fernsehen das bestimmende Medium sein. Doch die fiese kleine Erfindung des Riddlers macht aus den altmodischen Flimmerkisten vernetzte Smart-TV und schließt sie zu einem großen – grün schimmenden – Datenstrom zusammen.
Damit spiegelt Batman Forever eine neue technologische Entwicklung wider, die zu diesem Zeitpunkt gerade die echte Welt erobert: „dieses Internet„. Man arbeitet gerade an einer weltweiten Infrastruktur, nicht für den automobilen Verkehr, sondern für Informationen. Quasi um diese komische Erfindung von Tim Berners-Lee überall zugänglich zu machen. Nicht umsonst kommt unter der Administration von US-Präsident Bill Clinton kurz zuvor der Begriff „Daten-Highway“ auf. Das alles bleibt in Hollywood nicht ganz unbemerkt. Wie sehr sich die Filmindustrie mit dem Thema Cyberspace zu dieser Zeit beschäftigt, zeigt sich gleich an mehreren Produktionen, die im selben Jahr wie Batman Forever ins Kino kommen:
- Sandra Bullock verliert in Das Netz ihre Identität an einen perfiden Hacker.
- Keanu Reeves arbeitet in Vernetzt – Johnny Mnemonic als aufgemotzter Datenkurier.
- Angelina Jolie darf in Hackers einen frühen Digital Native geben.
- Denzel Washington kämpft in Virtuosity gegen einen virtuellen Russell Crowe.
- Ralph Fiennes erlebt in Strange Days die Nachteile eines Immersive Digital Environment.
- Und in Japan kommt der Anime Ghost in the Shell heraus, der …
- … die damaligen Wachowski-Brüder zur Matrix inspirieren wird.
Das Kino braucht den Film, aber…
Tatsächlich muss sich Hollywood damals mit Fragen beschäftigen, die heute selbstverständlich sind: Seit 1993 dürfen offiziell Szenen mit echten Schauspielern gedreht werden, die dann in interaktiven Programmen agieren können. Beispiele? Mark Hamill und Malcolm McDowell kämpfen sich durch Wing Commander III, Christopher Lloyd tritt in Toonstruck auf und Christopher Walken traut sich in das CD-ROM-Adventure Ripper. Viele Hollywood-Studios gründen Interaktiv-Abteilungen, um Spiele und Filme als neuen Markt zu besetzen. Man spricht vom Tele-Kinoticket, während Steven Spielberg am Set von Schindlers Liste per Datenleitung an Jurassic Park schneidet. Man spricht über Virtual Reality in Klötzchengrafik und menetekelt angesichts von Pixars Toy Story, dass Schauspieler bald überflüssig werden. Und man rätselt darüber, wie Filme künftig distributiert werden – etwa per Kabel direkt ins Lichtspielhaus? So langsam wird man sich bewusst: „Das Kino braucht Filme, aber Filme brauchen nicht das Kino.“
Ein übergreifendes Helden-Universum im Kino? Hat Marvel erfunden! Oder? Naja, sagen wir es so: Warner dachte bereits in den 90ern darüber nach, seine DC-Helden im Kino zusammenzubringen, zumindest die beiden bekanntesten. In Batman Forever erwähnt Bruce Wayne, dass der Zirkus auf dem Weg nach Metropolis sei, also der Heimstatt von Superman. Im Vorfeld von Batman & Robin machten Gerüchte die Runde, der Stählerne erhalte sogar einen Cameo im Film. Das Gerücht bewahrheitete sich leider nicht, aber zumindest durfte Batman mal kurz seinen Super-Kollegen beim Namen nennen. Eigentlich wollte Warner noch weiter gehen: Denn im Jahr 1999 sollte Superman Lives von Tim Burton mit Nicolas Cage in der Titelrolle folgen, auch ein Shared Universe war geplant. Und ein Nightwing-Spinoff mit Chris O’Donnell – der schlägt „Nightwing“ in Batman Forever auch als eigenen Superhelden-Namen vor. Doch es kam anders: Batman & Robin floppte und enttäuschte auch künstlerisch. Und statt einer Fortsetzung gab es 2005 mit Batman Begins einen neuen Reboot.
Die große Lauschaktion
Ok, wir wollen nicht zu weit abschweifen. Aber Batman Forever fällt vor diesem zeitlichen Hintergrund schon beinahe prophetisch aus. Die bezeichnendsten Sätze darf Jim Carrey als Riddler im Finale aufsagen: „Meine süße kleine Box steht bald weltweit auf unzähligen Fernsehgeräten und versorgt mich mit diversen Geheimcodes von Banken und Konten, sexuellen Fantasie und Notlügen für jede Lage. Ich vereine den Geist von all diesen Leuten, das kann nur den ganz großen Sieg bedeuten. Denn wenn Wissen Macht heißt, heiße ich ab jetzt Gott.“ Überflüssig zu erwähnen, dass Jim Carrey in seinem grünen Spandex neben dem starken Mann Val Kilmer ein bisschen wie ein mutierter Computer-Nerd wirkt. Ironischerweise zieht der Riddler direkt danach eine makabre Version einer Fernsehshow ab, bei der sich Batman entscheiden muss, ob er seinen Partner Robin retten soll oder sein Love Interest Nicole Kidman.
Ich habe mir mal den Spaß gemacht, das Archiv des Spiegel nach Batman Forever zu durchforsten. Der Verlag hat dankenswerterweise alle Artikel aus seinen Ausgaben im .pdf-Format ins Netz gestellt. Und siehe da: In seiner Ausgabe 31/1995, genauer: am 31. Juli 1995, machte das Magazin genau dieses Fass auf. Nämlich „Batman gegen Internet“. Heute würde man vermutlich schreiben: „Batman v Internet“. In leicht verschwurbelten Sätzen vermutete der Autor, dass den Oberen in Hollywood etwas bange wird angesichts der neuen Technologien. Und er schloss mit dem ebenfalls prophetischen Satz: „Batman Forever: Das klingt wie ein Abschied vom Kino für immer. Das nächste Batmobil startet per Fledermausklick auf der Datenautobahn.“ Oder wenn man so will: im Streaming. Nur gab es das Wort in dieser Bedeutung damals noch nicht.
Hätte, hätte, Fahrradkette…
Jetzt werden neue Technologien im Film natürlich immer gerne für das Böse missbraucht – etwas anderes wäre dramaturgisch ja auch langweilig. Aber dass Batman Forever dieses neue Datennetz ausgerechnet zum Ausspionieren verwendet und sich gleichzeitig die Form einer alten Serie gibt, lässt zumindest etwas Interpretations-Spielraum. Man möchte als Filmnerd mit Nostalgiebrille aber auch allzu gerne glauben, dass Hollywood in dem Film einen kleinen Subtext eingebaut hat. Denn ansonsten wäre Batman Forever doch nur eine laute Star-Parade und als solche der bunte Abklatsch von Burtons ersten beiden Batman-Filmen.