Scheißfilm! – Filmfans fallen in ihren Urteilen gerne mal sprachlich aus dem Rahmen. Grund genug, das „Framing“ des unflätigen Wortgebrauchs unter die Lupe zu nehmen.
- Was denkt ihr beim Wort „Disneyfizierung“? Da entsteht doch automatisch ein Bild im Kopf, oder? Warum ich das frage? Die Medien haben dieser Tage ein neues Hobby: Framing. Soll heißen: Sie schauen sich diverse Schlagworte aus der politischen Diskussion genauer an. Und sie zeigen auf, welche Bilder diese Schlagworte vermitteln. Moment mal, Politik? Nein, keine Angst, bei den Howling Men wird es keinesfalls politisch. Vielmehr hat uns der neue Hype ums Framing darauf gebracht, weniger über die Sprache von Politikern als vielmehr über die Ausdrucksweise der Filmfans nachzudenken.
Was bedeutet Framing denn nun? Framing ist eigentlich ein Klassiker aus der Kommunikationswissenschaft und wird in regelmäßigen Abständen hervorgekramt. Beispiel? Beim Wort „Kino“ wird sicherlich sofort jeder an die Begriffe „dunkel“ denken, an „Popcorn“ oder an Leute, die nicht mal 90 Minuten lang still sitzen und das Smartphone in Ruhe lassen können. Egal welches Wort, jeder bringt damit ganz automatisch gewisse Informationen in Verbindung, die er im Laufe seines Lebens gesammelt hat: Emotionen, Gerüche, Bilder. Er bildet also um jeden Begriff einen bestimmten Deutungsrahmen – einen Frame. Ok, so viel zur Theorie.
Konfektionierte Sternenkriege
Wer sich nun mit anderen Filmfans über sein liebstes Hobby austauscht, wird zwangsläufig auch auf solche Frames treffen. Vorzugsweise im Internet, denn da ist man ja anonym unterwegs und muss sich nicht so vorsehen mit dem, was man sagt. „Disneyfizierung“ ist da noch ein harmloser Begriff. Trotzdem denkt jeder sofort an die Ohren der Maus, an das kitschige Schloss mit dem Feuerwerk und an familienfreundlich konfektionierte Unterhaltung. Wenn jemand also behauptet, dass ein Film oder ein Franchise disneyfiziert wurde, dann ist das nicht sofort ein Todesurteil, aber doch eher kritisch zu verstehen. Zum Beispiel die jüngsten Star Wars-Filme wurden in diesen Rahmen gesetzt.
Sowieso fällt auf, dass Filmfans im Internet gerne mit Rahmen arbeiten, wenn es um Kritik geht. Zugegeben: Der „Kultfilm“, der mit beinahe religiöser Verehrung bedacht wird, ist ein positives Beispiel, aber damit auch leider relativ allein auf weiter (virtueller) Flur. „Filmischer Bodensatz“ dagegen beschreibt wohl ein cineastisches Werk, das qualitativ ganz unten anzusiedeln ist, da wo es dreckig ist und nicht gut riecht. Das Verständnis von filmischem Bodensatz ist dabei natürlich recht breit, wie eine schnelle Google-Suche ergibt. Das reicht von Kindsköpfe (Teil 1) bis Scary Movie 5 und von Iron Eagle bis Furious 8. Wenn man einigen Amazon-Rezensionen glauben mag, fällt auch Paul Thomas Andersons The Master in diese Kategorie. Aber es ist auch fraglich, ob solche Urteile wirklich von Filmfans stammen.
Wer A sagt, muss auch Z sagen
Was kommt einem denn so regelmäßig an Framing unter, wenn man ungeschützt im Netz unterwegs ist? In loser Folge und ohne Anspruch auf Vollständigkeit…
- Filmschrott – …ist kaputt und lässt sich auch nicht mehr reparieren.
- Zelluloidverschwendung – …ist futsch und kommt auch nicht wieder.
- Sondermüll – …stinkt nicht nur, er sonder-stinkt sogar.
- Machwerk – …da hat´s einer gemacht, aber eben nicht gut gemacht.
- Z-Film – …ist das Gegenteil von A und auch weit weg von B und C.
- Trash – …beschreibt etwa das liebevolle Verhältnis zu einem verhaltensgestörten Kind.
- der selbsterklärende flüssig-viskose Dreiklang von Grütze, Rotz und – Pardon! – Pisse.
- CGI-Gewichse – …Fachausdruck, davon kriegt man Hirnverweichung und wird blind.
- …oder mein Lieblingsbegriff: seelenlos. Das Wort macht selbst Dinge zum Monster, die nie eine Seele besessen haben.
Es bedarf aber gar nicht mal des sprachlichen Griffs ins Klo, um über Deutungsrahmen sprechen zu können. Selbst einige ursprünglich neutrale Begriffe sind für die eingefleischten Filmfans nach entbehrungsreichen Kinojahren mit schmerzhaften Erinnerungen verbunden. Da wäre der Begriff Prequel, der ja eigentlich nur eine Vorgeschichte beschreibt, aber inzwischen gleichgesetzt wird mit zerstörten Kindheiten. Da wäre das Sequel, das Bilder von Dagobert Duck beim Geldzählen hervorruft. Oder der Reboot, der daherkommt wie ein schlechter Witz, der so oft erzählt wird, bis die Pointe endlich zündet – wenn sie denn zündet.
Es kann halt nicht sein, was nicht sein darf!
Die Diskussion ums Framing lässt sich übrigens noch weiter spinnen: Ein öffentlicher Diskurs, so die (Kommunikations-) Theorie, ist selten empfänglich für Argumente. Vielmehr springt der Empfänger auf sogenannte Soundbites an, die in einen als allgemein gültig empfundenen Frame passen. Beispiele für ein Soundbite? „Yes, we can!“ Oder: „I have a dream!“ Oder: „Für mich existieren nur Terminator 1 und 2!“ Da gibt’s keine zwei Meinungen, also basta und Fresse!
Im Grunde ist das ja auch naheliegend: Filme sind Geschmackssache. Und wenn etwas nicht gefällt, dann gefällt es halt nicht. Wieso sollte man das dann nicht sagen dürfen, wird so mancher fragen. Allerdings greift das auch ein bisschen zu kurz, denn die ausschließliche Nutzung von Schimpfwörtern mit ihrem recht direkten Framing – Mistfilm, Kackfilm, Scheißfilm – würde der Filmkritik ihre Bedeutung absprechen. Denn bekanntermaßen sucht die das Gute im Schlechten und das, nun, nicht so Gute im Gelungenen. Gerade Filmfans sollten – bei allem theoretischen Geschwurbel – wissen: Filme sind eigentlich etwas komplexer als Fäkalausdrücke. Selbst dann, wenn sie filmischer Bodensatz sind.